Hamburg. Seit 2011 gehört das Literaturfestival in den Kulturkalender Hamburgs. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.

Am Anfang war das Ziel, Deutschland ins nachnukleare Zeitalter zu führen. Und zwar dadurch, dass die Literatur das Thema „Atomausstieg“ aufs Tapet brachte – nachdem es in Hamburg jahrelang im Frühjahr die Vattenfall-Lesetage gegeben hatte. Das deutlich weniger umfangreiche, ehrenamtlich organisierte Festival „Die erneuerbaren Lesetage – Lesen ohne Atomstrom“ gehört seit 2011 in den Kulturkalender Hamburgs. Seit dem Wochenende läuft es wieder.

Was dabei zumindest auf den ersten Blick verblüfft, ist von jeher die Prominenz der Auftretenden. Unter den 300 Gästen des Festivals finden sich Namen wie Nina Hagen, Jan Delay, Swetlana Alexijewitsch und Udo Lindenberg, auch Günter Grass war vor seinem Tod dabei; um nur einige Namen zu nennen, die deutlich machen, dass beim Lesen ohne Atomstrom immer wieder Superstar-Pop auf Nobelpreis-Noblesse traf. Die Veranstaltungen sind deshalb auch keine klassischen Lesungen.

Warum so viele namhafte und bekannte Künstler – diesmal etwa Blixa Bargeld, Suzanne von Borsody, Barbara Auer, Jan Plewka, Thomas Quasthoff, Esther Bejarano, Beate Klarsfeld, Claus Peymann und Ex-Fußball-Nationalspieler Marco Bode – der Einladung folgen, liegt daran, dass sie die umwelt- und gesellschaftspolitischen Ziele teilen. „Wir machen kein klassisches Booking und sprechen die Künstler persönlich, nicht über ihr Management an“, sagt Oliver Neß aus dem Organisationsteam.

Keine klassischen Sponsoren

Getreu dem Motto „Kultur für alle“ ist der Eintritt zu allen Veranstaltungen frei. Finanziert werden kann dies nur durch Förderer und Unterstützer. Klassische Sponsoren hat Lesen ohne Atomstrom nicht. Miete zahlt das Festival nicht, egal ob es im Markk, in der Fabrik oder in der Akademie der Künste stattfindet. Anfallende Posten wie Reise- und Unterbringungskosten sowie seit Kurzem eine Aufwandsentschädigung für die Teilnehmer werden durch Geldgeber wie den Medienunternehmer Frank Otto, die Mara & Holger Cassens Stiftung, das Goethe Institut und etliche größere und kleinere Institutionen und Unternehmen in Hamburg getragen. Auf der Internetseite (www.lesen-ohne-atomstrom.de) sind die meisten der Unterstützer aufgelistet. Nicht alle wollen öffentlich in Erscheinung treten, was nicht mit dem konkreten Anliegen dieser Initiative zu tun haben muss, sondern mit der grundsätzlichen Zurückhaltung mancher Gönner.

Frank Otto gehört zu den wichtigsten Förderern des Festivals.
Frank Otto gehört zu den wichtigsten Förderern des Festivals. © HA | Andreas Laible

Dass der Kreuzfahrt-Veranstalter Aida Cruises, obwohl er lediglich einmal unterstützend in Erscheinung trat, immer noch aufgelistet wird, darf man den Machern übrigens zugutehalten: Diese Form der Transparenz angesichts eines Unternehmens, das Kritiker für einen gigantischen Umweltsünder halten, macht ziemlich deutlich, dass es in der Frage der Energieversorgung nicht immer einfache Antworten gibt.

Kulturbehörde hat Festival nie gefördert

Die Kulturbehörde, mit der die als Anti-Vattenfall-Lesetage-Projekt angetretenen Alternativ-Veranstalter vor acht Jahren in Gesprächen waren, hat das Festival übrigens nie gefördert, sagt aber: „Das Festival ‚Lesen ohne Atomstrom‘ hat sich mit seinem breit gefächerten und streitbaren Programm fest etabliert. Zugleich ist das Festival ein gutes Beispiel für gelungenes bürgerschaftliches, mäzenatisches und privates Engagement.“

Wir sind längst Mainstream, finden die Veranstalter. Seit Fukushima schlägt der Atomkraft breite Ablehnung entgegen. Sehr linke Blickwinkel abseits des bürgerlichen Mainstreams pflegt „Lesen ohne Atomstrom“ in der Doppelausgabe 2018/19 freilich mit Hingabe: Zur Veranstaltung am Montagabend zum Thema „Der kommende Aufstand“, der wunderbar zur französischen Gelbwestenbewegung passt, waren neben Mathieu Carrière und Feridun Zaimoglu auch Rote-Flora-Sprecher Andreas Blechschmidt sowie Verleger und Ex-Terrorist Karl-Heinz Dellwo eingeladen.