Hamburg. Kuratorin Ellen Blumenstein stellt Pläne für die Gestaltung der HafenCity vor – angefangen mit einer mehrdeutigen Installation.

Auf der Kibbelstegbrücke in der HafenCity steht ein riesiger Smiley. Mit fünf Metern Durchmesser und neonbeleuchtet, schaut er mal erfreut, mal traurig, mal skeptisch. Die Skulptur „Public Face“ ist das erste Projekt des Programms „Imagine the City“, das HafenCity-Kuratorin Ellen Blumenstein für den Stadtteil entwickelt: ein interaktives Kunstwerk, in dem Julius von Bismarck, Benjamin Maus und ­Richard Wilhelmer die Daten von Überwachungskameras analysieren und mittels eines Algorithmus auf die Skulptur übertragen. Und je nachdem, ob eher fröhliche oder eher griesgrämige Gesellen durch den Fokus der Kameras laufen, lächelt oder schmollt der Smiley.

„Public Face“ wurde schon 2010 entwickelt, damals für die Hafeneinfahrt von Lindau am Bodensee. Für Blumenstein ist die Arbeit aber ein Herzensprojekt, weil es verdeutlicht, was „Imagine the City“ ausmacht: Es macht die Menschen im öffentlichen Raum sichtbar, es sorgt für Kommunikation zwischen Kunst, Passanten und urbaner Fläche, wie Blumenstein bei der Präsentation von „Imagine the City“ am Donnerstag erläuterte.

„Public Face“ als kritische Reflexion

Doch gleichzeitig ist „Public Face“ auch Kritik eingeschrieben. Der Smiley mag lustig aussehen, aber von Bismarck, Maus und Wilhelmer haben eine Skulptur gebaut, bei der man trotz aller Niedlichkeit nicht vergessen sollte, dass ihr Innenleben gefüttert wird mit Daten aus dem ständig überwachten öffentlichen Raum. Man kann „Public Face“ auch als kritische Reflexion über entfesseltes Datensammeln lesen.

An dieser Grenze zwischen Kunst und Stadtraummöblierung, zwischen Kritik und Kitsch bewegt sich vieles an „Imagine the City“. Schillerndes Grenzgängertum, das sich auch in Kleinigkeiten wie dem Standort von Blumensteins Büro zeigt. Das befindet sich nämlich nicht in einem Gewerbegebäude, sondern auf der „Seuten Deern“, einem bis Anfang des Jahrtausends zwischen Cuxhaven und Helgoland kreuzenden Passagierschiff, das seit vier Jahren im Traditionsschiffhafen liegt.

Blumenstein ist eine der wichtigsten Kuratorinnen Europas

„Schiffe sind Teil der Hamburger Identität“, beschreibt Blumenstein diese Bürowahl, und natürlich hat sie mit dieser abgegriffenen Verbindungslinie recht. Aber: „Schiffe sind auch etwas Flüchtiges und Fluides“, was über das touristische Klischee der Hafenmetropole hinausweist. Einerseits wird hier das leicht verdauliche, touristenfreundliche Image der HafenCity bedient, andererseits auch eine weitere Ebene eingezogen, die sich nicht mehr so einfach fassen lässt, die „fluid und flüchtig“ ist.

Blumenstein ist keine Stadtvermarkterin. Die 42-Jährige hat als eine der wichtigsten zeitgenössischen Kuratorinnen Europas einen expliziten Kunsthintergrund, arbeitete unter anderem für die Documenta, das Karlsruher ZKM und für den isländischen Pavillon der Biennale von Venedig, zuletzt war sie Chefkuratorin der Berliner Kunst-Werke.

So jemand gibt sich nicht für ein rein repräsentatives Kunstverständnis her, so jemand will gestalten, will Kunst als Mittel urbaner Kommunikation neu denken. In der HafenCity hat sie einen passenden Ort für diesen Ansatz gefunden, einem Stadtteil, der sich seit Jahren schon über Kultur definiert, auch wenn das Niveau in der praktischen Umsetzung oft hinter den eigenen Ansprüchen zurückblieb.

Zeichen für größere Wertschätzung von Kunst und Kultur

Der Einsatz einer eigenen hochklassigen Kuratorin ist insofern ein Schritt hin zu einer stärkeren Professionalisierung der Kultur in der HafenCity. Uwe M. Schneede vom Verein „Kunst und Kultur in der HafenCity“ beschrieb diese Entwicklung so: „Noch 2006 ernteten wir politischerseits auf die Idee, eine Kuratorin einzusetzen, nur ablehnendes Lachen.“

Entsprechend ist die Bestellung von Blumenstein auch ein Hinweis dafür, dass die Wertschätzung für Kunst und Kultur gestiegen ist. Nicht zuletzt von Kunst und Kultur, die auch mal verstören und irritieren kann.

Verstören und irritieren will „Public Face“ erst auf den zweiten Blick. Aber der Smiley ist nur der Anfang, es folgen Projekte von jungen Künstlern wie der Britin Kate Cooper, dem in Hamburg lebenden Friesen Gerrit Frohne-Brinkmann und dem Berliner Sebastian Quack. Als „Ambitionssprung“ beschrieb Jürgen Bruns-Berentelg von der HafenCity GmbH diesen Versuch, einen ganzen Stadtteil als Kunstort zu begreifen. Das trifft es recht gut.