Hamburg. Teil der Einnahmen geht an Frauenhäuser. Kabarettistinnen Sonja Gründemann und Turid Müller sind Patinnen der Shows.

Diese Novembertage sind geschichtsträchtig. Als der Rat der Volksbeauftragten am 12. November 1918 in einem Aufruf „An das deutsche Volk“ sein Regierungsprogramm vorstellte, enthielt es erstmals auch das Frauenwahlrecht. Der 100. Jahrestag ist am Montag bundesweit für 163 Künstlerinnen in 28 Spielorten der Anlass, unter dem Motto „Sisters of Comedy“/„Nachgelacht“, ein Zeichen zu setzen – auch auf Hamburgs Theaterschiff und im Polittbüro: Ein Teil der Einnahmen geht an Frauenhäuser. In der Hansestadt sind die Musik-Kabarettistinnen Sonja Gründemann und Turid Müller Patinnen und Mitwirkende der Shows.

Ihre bayerische Kollegin Lisa Fitz hat vor 15 Jahren mal gefragt: „Warum klopft man Babys gleich nach der Geburt auf den Popo?“ Ich denke, Sie kennen die Antwort …?

Turid Müller: Ich nicht.

Sonja Gründemann: Ich auch nicht. Disqualifiziert uns das als Come­diennes?

Müller: Gegenfrage. Hätten Sie diese ­Baby-Frage wohl auch einem Mann gestellt ...?

Lisa Fitz antwortete damals: „Bei den Intelligenten fällt der Penis ab!“ Können Sie verstehen, wenn man(n) das als umgekehrten Sexismus auffasst?

Müller: Ziel ist nicht Männer-Bashing, Ziel ist Gleichstellung. Sexismus bleibt Sexismus – in beide Richtungen.

Was erhoffen Sie sich denn von der Veranstaltung „Sisters of Comedy“?

Gründemann: Dass Deutschland klar wird, dass es sehr viele lustige Frauen gibt. Und dass das eben nicht nur im „Spätabend-Programm“ versteckt wird. Und dass Humor kein Geschlecht kennt – in meinen Programmen lachen die Männer auch.

Müller: Und nicht nur in Kabarett und Comedy ist in Sachen Gleichstellung noch viel zu tun – auch gesamtgesellschaftlich. Das gerät gern mal aus dem Blick – nach dem Motto: „Ihr könnt sogar Kanzlerin, was wollt ihr denn noch!?“ Höchste Zeit, dass es uns wieder auffällt, wie viel Ungerechtigkeit es noch gibt. Stichwort „Gender Pay Gap“, um nur ein Beispiel zu nennen.

Aber in Sachen Gleichstellung hat sich doch einiges bewegt: Vor 30, 40 Jahren gab es an Fernsehfrauen nur Lore Lorentz mit ihrem Düsseldorfer Kom(m)ödchen und Lisa Fitz. Heute schlägt Carolin Kebekus beim Deutschen Comedy-Preis männliche Mitbewerber aus dem Feld, hat mit „PussyTerror TV“ eine eigene ARD-Sendung, ebenso Gerburg Jahnke mit „Ladies Night“ und ausschließlich weiblichen Gästen. Auch die Hamburgerinnen Lisa Politt und Simone Solga sind bereits mit dem Deutschen Kleinkunstpreis und dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet worden!

Müller: Im Aufgebot vieler Shows ist nicht selten nur eine einzige Frau – wenn überhaupt. Wer als Frau ins Fernsehen kommt, muss entsprechend aussehen – oder Witze darüber machen, dass sie ein Radio-Gesicht hat. Und ist nicht schon die Tatsache, dass die Notwendigkeit von mehr Gleichstellung zunächst gerechtfertigt werden muss – wie zum Beispiel jetzt gerade –, ein Beleg dafür, dass es daran ist, den Diskurs darüber wieder in den öffentlichen Fokus zu bringen?

„Sisters of Comedy“/„Nachgelacht“ Mo 12.11., 19.30, u. a. mit Sonja Gründemann (auch Moderation), Simone Solga, „Das Schiff“ (U Rödingsmarkt), Holzbrücke 2, Eintritt 12,50 (erm.) bis 29,-; www.theaterschiff.de und Mo 12.11., 20.00, u. a. mit Turid Müller,Dagmar Schönleber, Sandra Kreisler (Mod.), Polittbüro (U/S Hbf.), Steindamm 45, Eintritt 15,-/erm. 10,-; www.polittbuero.de