Hamburg. Wer dabei war, sah eine lebende Legende des Jazz, neue Entdeckungen und die Frau, auf die alle gewartet haben: Neneh Cherry.

Großes Gedränge am Sonnabend auf Kampnagel. Als sich kurz vor 21.30 Uhr die Türen zur Halle K6 endlich öffnen, wird nicht etwa entspannt zu den Plätzen gegangen, sondern bisweilen sogar gelaufen. Schließlich gilt beim Überjazz Festival freie Platzwahl, und bei dem, was nun kommt, wollen alle so dicht wie möglich dran sein: der Auftritt des Quartetts von Pharoah Sanders, der neben Sonny Rollins größten noch lebenden Legende des Jazz.

„Er hat nur noch Luft für eine halbe Stunde, aber es ist trotzdem ein Ereignis“, weiß ein Besucher in Reihe 5, und ein Ereignis wird es tatsächlich. Mit kleinen, unsicheren Schritten kommt der 78-Jährige auf die Bühne, zwischen seinen Parts muss er sich setzen, doch wenn er ins Saxofon bläst, dann weht ein Hauch von Jazzgeschichte durch Kampnagel. Sicher, andere haben mehr Luft, doch die Ikone des Spiritual Jazz, der mit John Coltrane und später auch solo so viele legendäre Alben eingespielt hat, hat eine Aura, die weit über Höher-schneller-weiter-Kategorien hinaus geht. Ein Höhepunkt: der Coltrane-Klassiker „Naima“. Stehende Ovationen, glückliche Gesichter. Noch einmal Sanders live sehen, vor allem deshalb sind viele zu diesem Festival gekommen – Ziel erreicht.

Das Überjazz 2018, ein großer künstlerischer Erfolg

Insgesamt weniger Besucher als im Vorjahr, aber ein großer künstlerischer Erfolg, so lässt sich das Überjazz 2018 zusammenfassen. Dabei zeigt sich die ganze Bandbreite bereits am Freitag, an dem etwa die belgische Band Stuff. einen Hochenergie-Mix aus Jazz, Electro und Hip-Hop-Grooves spielt. Völlig unberechenbar, eine der Festival-Entdeckungen. Ebenso wie die britische Saxofonistin Nubya Garcia, die hörbar Coltrane-Fan ist und sich auf eine exzellente Band um Keyboarder Joe Armon-Jones verlassen kann.

Wer hinterher an den Stand von „Groove City“ im Kampnagel-Foyer geht, um sich ihr Debütalbum zu holen, wird allerdings enttäuscht: Es ist längst ausverkauft, auch bei allen Internet-Händlern. Eine höhere Auflage hat natürlich das Oeuvre von Neneh Cherry, auf die wohl die meisten an Tag eins gewartet haben. Das Programm besteht hauptsächlich aus Songs ihres aktuellen Albums „Broken Politics“, als Rückgriff auf die erfolgreiche Vergangenheit gibt es „Woman“ von 1996. Ein herzwärmender, sympathischer Auftritt, der natürlich mit Jazz im klassischen Sinn wenig zu tun hat.

Karten für das Überjazz 2019 gibt es bereits

Aber so ist das Überjazz eben: An starren Genregrenzen nicht interessiert, das zeigt auch die Show von Singer/Songwriter Lonnie Holley aus Alabama, bildender Künstler, angeblich Vater von 15 Kindern (er selbst hat, so heißt es, 26 Geschwister). Mehr Gospel als Jazz, aber faszinierend. Für Partystimmung sorgt dann am späten Sonnabend The Comet Is Coming, ein britisches Jazz-Electronic-Funkrock-Trio, bei dem jeder Track klingt, als hätten die Musiker gerade eine Energydrink-Druckbetankung hinter sich.

Ein großer Spaß, so wie das gesamte Überjazz Festival, das 2019 (1./2.11.) zum zehnten Mal stattfindet. Vergünstigte Early-Bird-Tickets für 70 Euro sind bereits erhältlich.