Hamburg. Der Hansa-Theater-Gaststar wird im März 80 Jahre jung und geht auf Tour. Ein Gespräch über junge Rock ’n’ Roller und teure Autos.

Der Hüftschwung swingt immer noch: Mit „Sugar Baby“, „Wie schön wär diese Welt“ und „Tiger“, mit Rock ’n’ Roll und Humor überraschte Peter Kraus am Donnerstag die Gäste der Premiere zur Jubiläumsspielzeit 125 Jahre Hansa-Theater. Das 1939 in München geborene österreichische Teenageridol der 50er, das seinerzeit im Wochenrhythmus erfolgreiche Hitsingles und Spielfilme veröffentlichte, wird am 18. März 80 Jahre alt und nutzt den Anlass für eine große Geburtstagstournee, die ihn am 29. November 2019 auch noch in die Laeiszhalle führt.

Wir trafen Kraus, der mit seiner Frau Ingrid am Luganersee in der Schweiz und in Gamlitz in Österreich lebt, vor seinem Auftritt im Hansa-Theater auf einen Kaffee im Hotel Reichshof. Da bastelte er noch am Hitmedley, das am Abend die Zugabe sein könnte. Nicht einfach, denn Lieblingssongs hat Peter Kraus so viele wie Anekdoten aus einer langen und bewegten Karriere.

Herr Kraus, 2014 und 2015 gastierten Sie auf Ihrer Abschiedstournee „Das Beste kommt zum Schluss“ in Hamburg. Nun kommen Sie nächstes Jahr im November mit einem neuen Programm in die Laeiszhalle. Warum treten Sie vom Rücktritt zurück? War es damals noch nicht das Beste?

Peter Kraus: Die Fans lassen mich nicht! Es war schon ein Knaller, die Songs meiner Idole und Kollegen von damals zu spielen, Ted Herold, Bill Ramsey, Elvis, über 40 Songs pro Abend. Trotzdem war es eine Qual zu überlegen, welches Lied ich weglassen muss. Und ich möchte weiterhin die Wünsche meiner Fans erfüllen, ein Riesenspaß. Daher jetzt die Jubiläumstournee.

Sie wurden also mit Jubel und Applaus zum Weitermachen gezwungen?

Kraus: Ja, außer von meiner Frau.

Sie hatten auch moderne Hits von Marteria, Tim Bendzko und Helene Fischer im Programm. Kommen junge österreichische Bands wie Wanda oder Bilderbuch dazu?

Kraus: Oh, in Österreich ist sehr viel los, das beobachte ich genau. Dieses Mal möchte ich mich aber auf die 50er- und 60er-Jahre beschränken.

An diesem Freitag gastiert auch Ihr Landsmann Andreas Gabalier in Hamburg. Was halten Sie eigentlich von seinem sogenannten „Volks-Rock-’n’-Roll“?

Kraus: Ich kann fast sagen, dass wir befreundet sind, wir haben einige Sachen zusammen gemacht. Er hat eine tolle Geschichte gemacht, indem er volkstümliche Musik und Rock ’n’ Roll so verbunden hat, dass man auch im Dirndl ins Konzert gehen kann. Ein sensationelles Konzept. Und er schreibt seine Songs selber, das war mir am Anfang meiner Karriere leider noch nicht vergönnt.

Dafür waren Sie und andere Entertainer Ihrer Generation wie Peter Alexander oder Freddy Quinn erfolgreich als Sänger, Schauspieler, TV-Showmaster, Musicaldarsteller, dazu malen Sie auch noch und schreiben. Woher kommt diese Universalbegabung?

Kraus: Ich wollte Schauspieler werden und anschließend als Regisseur mit 35 hinter die Kamera wechseln, aber das ist in die Hose gegangen. Ich musste die Schauspielschule abbrechen, um Gesangskarriere als Teenageridol zu machen. Aber warum wir so vieles ausprobiert haben? Weil wir in nur einer Sparte zu wenig Geld verdient hätten, die Gagen waren ja nicht hoch. Mein Vater Fred Kraus war auch schon Kabarettist, Regisseur, Schauspieler, Produzent und Kaffeehausbesitzer. Vormittags war er im Rundfunk, abends hat er Operette gespielt und nachts in einer Bar gesungen, damit die Kohle reinkam. Eben gerade haben wir übrigens herausgefunden, dass mein Vater auch mal hier im Hansa-Theater aufgetreten sein muss. Ich folge also seinen Spuren.

Kamen Sie nie an den Punkt, wo es Ihnen alles zu viel wurde?

Kraus: Nein, eigentlich nicht. Es gab Situationen, wo es nicht so gut lief, aber das ist normal. Und zum Hinschmeißen bin ich viel zu euphorisch. Als die Beatles 1963 loslegten, war das für uns Solo-Interpreten die absolute Katastrophe. Vier unterschiedliche Typen sprechen eben mehr Mädels an als einer. Ich habe dann auch eine Gruppe gegründet.

Könnten Sie heute noch aus dem Stand auf einen Tisch springen, „Sugar Baby“ singen und dazu tanzen, Geige spielen und Bier trinken wie 1958 im Film „Wenn die Conny mit dem Peter“?

Kraus: Nein, das schaffe ich nicht mehr. Aber mein Hüftschwung ist noch da.

Überlegen Sie beim Blick ins Publikum, welcher Fan sich vielleicht in den 50ern bei Konzerten von Bill Haley Saal- und Straßenschlachten mit Ordnern und der Polizei geliefert hat? So mancher reifere Zuschauer unter den bunt gemischten Gästen war vielleicht mal ein schlimmer Finger, ein Halbstarker, wie man es damals nannte.

Kraus: Während der Arbeit nicht, zum Nachdenken finde ich auf der Bühne keine Zeit. Aber bei Gesprächen erzählen die Menschen sehr euphorisch von ihren Erfahrungen damals. Die ersten Sperrgitter und Polizisten gab es bei meinen Konzerten, noch bevor Bill Haley nach Deutschland kam. Beim Aufruhr bei seinem Konzert 1958 im Berliner Sportpalast war ich übrigens dabei, vorsichtshalber hinter der Bühne. Wir mussten dann flüchten, wurden auf das Dach gebracht und sind dann über die Feuerleiter runter ins Polizeiauto gesprungen und weggebracht worden. Auf dem Dach konnte ich noch durch die Luken sehen, wie der Saal zerkleinert wurde und war doch traurig, dass so tolle Musik so etwas Schlimmes auslösen konnte. Aber in der Laeiszhalle nächstes Jahr wird das Gestühl wohl heil bleiben.

Sie haben Marterias „Lila Wolken“ gesungen, in dem der Genuss von Marihuana umschrieben wird. Zu Rock ’n’ Roll gehören auch Sex & Drugs. Heino soll früher der Legende nach in seinen Verträgen für den Backstagebereich angeblich „Nutten, Koks und frische Erdbeeren“ verlangt haben ...

Kraus: Das war bestimmt ein Scherz! Oder?

Ich hoffe, Heino demnächst persönlich fragen zu können. Aber was stand Lasterhaftes in Ihren Verträgen?

Kraus: Nichts. Da stand drin, wann man wo zu erscheinen hatte, und das war es. Und diese überspitzten Star-Forderungen wie gelb ausgemalte Garderoben mit grüner Couch gab es damals überhaupt nicht. Es gab nur die mündliche Zusage von Tourneeveranstaltern, dass sie Bürgermeister und Polizei der Auftrittsorte bitten aufzupassen, dass die Fans nicht immer die Hotelfenster eindrücken oder in die Garderobe einbrechen. Geholfen hat es aber nicht immer, es sei denn, und das kam oft vor, dass wir keine Garderobe hatten und uns vor dem Hintereingang umzogen.

Also ist der Weinberg, den Sie mit Ihrer Frau Ingrid in der Südsteiermark unterhalten, Ihr Maximum an Extravaganz und Lasterhaftigkeit? Kann man den Tropfen schon kosten?

Kraus: Ja, „Labitschberg Peter Kraus“ heißt der, ein ausgezeichneter Ried. Aber der ist bereits ausverkauft.

Autonarr sind Sie ja auch. Was würden Sie denn lieber in einer Scheune entdecken: bislang unveröffentlichte Originalaufnahmen von Elvis Presley oder einen Ferrari 250 GTO, den wertvollsten Oldtimer der Welt?

Kraus: Den Wagen!

Peter Kraus – „Die große Jubiläumstour“ Fr 29.11.2019, 20.00, Laeiszhalle, Karten ab 56,50 bis 84,50 im Vorverkauf