Hamburg. Pianist Andreas Staier überzeugt bei seinem Auftritt in Blankenese nicht restlos

    Die Bedingungen waren nicht gerade günstig. Draußen wie drinnen in der Blankeneser Kirche am Markt herrschten mehr als 30 Grad. Vielleicht war das der Grund, warum Forte-Pianist Andreas Staier bei seinem Gastspiel während des Schleswig-Holstein Musik Festivals (SHMF) eher vorsichtig auf dem historischen Hammerflügel von 1837 aus der Pariser Werkstatt Érard agierte. Staier schien Kräfte sparen zu wollen und wirkte in seinem Programm mit den Klavierwerken von Schumann und Schubert distanziert.

    Erst kürzlich konnte man anlässlich des ersten Chopin-Festivals mit den historischen Flügeln und zusätzlich mit einem modernen Steinway im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe erleben, wie anders die alten Instrumente klingen. Der Érard-Flügel, auf dem An­dreas Staier beim SHMF spielte, ist klanglich schon recht nah an den heutigen Klavieren. Aber zwischen den verschiedenen Registern des Flügels gibt es noch immer größere klangliche Unterschiede als bei dem in jeder Lage ebenmäßigen modernen Steinway.

    Erstaunlich daher, dass Andreas Staier die Reize des historischen Érard-Flügels kaum nutzte. Nur bei manchen der sieben Stücke aus Schumanns „Album für die Jugend“ zu Beginn konnte man hören, was für einen markanten Bass dieses fast 200 Jahre alte Instrument hat, etwa beim jagenden „Reiterstück“.

    Eine Rarität sind Schumanns „Sieben Klavierstücke in Fughettenform“. Sie zeigen, wie gut der Komponist seinen Kollegen Bach studiert hat. Staier punktete hier besonders bei den bewegt-pulsierenden Stücken, da kam Swing auf. Dagegen vermisste man bei den gemäßigteren Stücken eine markante rhythmische Profilierung und die farbliche Gestaltung der polyphon verschlungenen Stimmen.

    Mit der Zugabe rückte er die Welt wieder zurecht

    In den hohen Lagen des Érard-Flügels kann der Pianist wunderbar auf dem Klavier „singen“. Andreas Staier zeigte es etwa in Schumanns berühmten „Kinderszenen“ beim „Ritter vom Steckenpferd“. Davon hätte man gern mehr gehört. Staier wählte beim gesamten Zy­klus recht zügige Tempi.

    Er näherte sich damit den von ­Schumann vorgeschriebenen Metronomzahlen an, die sonst oft nicht beachtet werden. Dennoch fragte man sich als Zuhörerin, warum Staier bei den ­„putzigen Dingern“ – wie Schumann selbst seine 13 Charakterstücke einmal nannte – den poetischen Gestus so in den Hintergrund stellte, oft einfach nicht ausspielte, sondern fast beiläufig, manchmal gehetzt und unbeteiligt wirkte. Schade.

    Schuberts späte B-Dur-Sonate im zweiten Teil gelang musikalisch überzeugender. Besonders im gewichtigen ersten Satz entstanden berührende Momente. Vielleicht war es auch der Hitze geschuldet, die der Technik des alten Instruments einen Streich spielte? Auch bei Schubert blieben zuweilen Töne weg, und im langsamen zweiten Satz schien die Artikulation gelegentlich verwischt. Beim Finalsatz dagegen ging Andreas Staier tempomäßig arg an die Grenze.

    Gäbe es eine „Klavierpolizei“, hätte der Pianofahrer hier bestimmt ein paar Punkte in Flensburg eingefangen, auch für die technische Schludrigkeit und ein paar Patzer zu viel. Mit der Zugabe, dem Andante cantabile aus Mozarts C-Dur-Sonate K330, rückte Andreas Staier die Welt dann wieder zurecht.

    Das Schleswig-Holstein Musik Festival läuft bis zum 26. August, Infos unter www.shmf.de