Hamburg. Das erste von zwei Open-Air-Konzerten war ein umjubeltes Heimspiel. Heute feiert Ina Müller im Stadtpark Geburtstag.
Schon der Anfang ist erhebend. Nach den ersten beiden Songs und sechs Minuten Sabbelei lässt sich Ina Müller, schwarz-buntes Kleid und High-Heel-Stiefeletten, von Torben, dem Security-Mann drei Stufen die Bühne hochtragen. Dann kann die Sommerparty losgehen. 32 Grad, blauer Himmel und 4000 Zuschauer in bester Laune. Und Ina kann ihr Trauma von vor Jahren überwinden, „als der Regen hier im Stadtpark nicht von oben, sondern von der Seite gekommen ist“.
Sie singt über das, was die Menschen da vor ihr im Publikum Tag für Tag bewegt. Viele Songs sind von ihrem jüngsten Album „Ich bin die“, das im Herbst 2016 veröffentlicht worden ist. Die meisten Texte und Töne stammen von Frank Ramond, Johannes Oerding und Ina Müller selbst.
Es geht um Schuhe, um Maxi Cosis und ums Älterswerden
Es geht dabei um Zalando und um Schuhe. Um ihre Herkunft mit vier Schwestern aus einem Dorf in Niedersachsen und um Weiberwirtschaften. Um Maxi Cosi und um „Kommando heulen“. Ina Müller sorgt mit ihren klug arrangierten Songs dafür, dass die plattdeutsche Sprache nicht ausstirbt („Mama“). Und natürlich geht es auch immer um das Älterwerden. Als Frau und als Mann.
„Aber wir werden gleichmäßig dick. Ihr Jungs seid dagegen irgendwann nur noch eine Laune der Natur. Bei euren dünnen Ärmchen und Beinchen und dem strammen Kugelbauch, der aussieht, als hättet ihr eine Bombe verschluckt, und unten bammelt die Lunte schon rum, frage ich mich immer, wie euch das statisch hält?“, leitet Ina Müller den Song „Hoffentlich ist der Sommer bald vorbei“ ein. Für eine Handvoll Leute war der Sommerabend zu heiß: Sie mussten wegen Kreislaufproblemen von den Sanitätern behandelt werden.
Inas Platz am Tresen ist am Dienstag im Stadtpark
Natürlich geht es auch um die Liebe. Gleich am Anfang, wenn sie singt: „Aber dich nehm ich, wie du bist, wie gesehen, so geküsst.“ Und später mit der Ballade: „Wenn du nicht da bist.“ Am Ende warteten viele Fans vergeblich auf den Titelsong ihres jüngsten Albums „Ich bin die“, in dem sie über sich selbst singt, die sich selber manchmal nicht mehr reden hören kann, irgendwie immer zu laut ist, den anderen schnell auf die Nerven geht und brüllend auf dem Tresen steht.
Der Platz am Tresen, das ist heute nicht in der Hafenkneipe Zum Schellfischposten, von wo sie seit elf Jahren in nunmehr 123 Folgen der ARD-Show „Inas Nacht“ mit ihren Gästen regelmäßig für lauten und ausgelassenen Spaß sorgt. Der Tresen ist an diesem hitzigen Sommerabend, wenn man so will, die Stadtpark-Bühne. Und Brüllen ist natürlich das völlig falsche Wort für ihre Sangeskunst, der man sich nur schwer entziehen kann, weil sie immer den richtigen Ton trifft, egal, ob sie rotzt oder röhrt. Da paaren sich Können und Leidenschaft, da schwingt immer eine leicht heisere Heiterkeit mit. Das Singen ist der Müllers Lust, trifft es wohl am besten.
Sabbeln und singen, tönen und texten
Genauso gekonnt und leidenschaftlich ist das instrumentale Spiel der musikalischen Unterstützergruppe. An den Gitarren Hardy Kayser und Mirko Michalzik, an den Tasten Kai Fischer, am Bass Dirk Ritz sowie Marco Möller am Schlagzeug. Stimmlich wird Ina Müller von den beiden Background-Sängerinnen Sarajane McMinn und Ulla Ihm mal sanft, mal etwas stürmischer begleitet.
Aus der vierten von fünf Töchtern einer Bauernfamilie in Köhlen, die nach einer Ausbildung zur pharmazeutisch-technischen Assistentin in Apotheken in Bremen, Westerland und München gearbeitet hat, ist längst eine Multi-Unterhalterin geworden, die sabbeln und singen, tönen und texten und im Wortsinn frohlocken kann. Was dazu führte, dass Ina Müller in den vergangenen zehn Jahren mit Ehrungen überhäuft wurde. Die Liste ihrer Preise und Auszeichnungen wird von Jahr zu Jahr länger: Fernsehpreis, Comedypreis, Grimmepreis, vier Echos, Platin für ihre CD „48“ .
Am Mittwoch feiert Ina Müller Geburtstag – auf der Bühne
Gerade wurde Ina Müller in Goslar mit dem Paul-Lincke-Ring ausgezeichnet, der an den Komponisten Paul Lincke („Berliner Luft“) erinnert. Mit der Auszeichnung werden Komponisten, Textdichter und Interpreten gewürdigt, die sich um die deutsche Unterhaltungsmusik und neue musikalische Bühnenwerke in besonderem Maß verdient gemacht haben. Ina Müller, heißt es in der Begründung, sei als Sängerin, Moderatorin, Autorin und Kabarettistin „Deutschlands ganzheitlichste Entertainerin“. Sie sei die „Königin im Bienenstock der deutschen Unterhaltung – stets summend und brummend, nordisch frech bei jedem Wetter, das Herz weit wie ein See, voller Geschichten und Gedanken“.
Es ist genau diese Mischung aus Geschichten und musikalischen Gedanken, die ein Ina-Müller-Konzert zu einem mehr als zweistündigen Vergnügen macht. Das geht am Mittwochabend munter weiter. Und bei ihrem zweiten Open-Air-Konzert wird es von den 4000 Besuchern im ausverkauften Stadtpark-Rund bestimmt auch ein lautstarkes Ständchen zu Inas 53. Geburtstag geben.
Stadtparkkonzerte Noch bis Mitte September finden Konzerte auf der Freilichtbühne im Stadtpark statt, dessen Areal etwa 4000 Besucher fasst. Nach den beiden Auftritten von Ina Müller (auch das zweite Konzert heute ist ausverkauft) kommen jetzt noch Wincent Weiss (26.7., ausverkauft), Glasperlenspiel (4.8.), Lina (10.8.), Santiano (11.8., ausverkauft), Kaleo (15.8.), Max Giesinger (18.8., ausverkauft), Roger Hodgson (23.8.), Matthias Reim (24.8.), Johannes Oerding (25. und 26.8., ausverkauft), Gwildis trifft Hamburg singt (2.9.), Dieter Thomas Kuhn & Band (7. und 8.9.) sowie zum Abschluss Lotto King Karl und die Barmbek Dream Boys (15.9.). |