Hamburg. Der Hamburger Michael Jürgs traf Romy Schneider im Jahr vor ihrem Tod. Er erinnert sich gut an die Begegnung
Als Romy Schneider ihr letztes Interview absegnet, fügt sie einen Satz hinzu: „Ich werde weiterleben und richtig gut.“ Handschriftlich, unter dem Manuskript des „Stern“-Reporters Michael Jürgs, das ihr der Fotograf Robert Lebeck (von ihm „Bob“, von ihr zärtlich „Lebo“ genannt) zur Autorisierung nach Paris gebracht hat. 1981 ist das, im Frühjahr, optimistischer Trotz. Und eine tragisch unerfüllte Sehnsucht.
Wenige Monate später stirbt Romy Schneiders Sohn Daniel bei einem Unfall, er spießt sich an einem Gartenzaun auf. Im Frühsommer darauf wird sie selbst zu Grabe getragen. „Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren und heiße Romy Schneider“, auch dieser Satz hatte im „Stern“ gestanden.
Im kommenden September hätte Romy Schneider, geboren in Wien als Rosemarie Magdalena Albach, ihren 80. Geburtstag gefeiert – und in dieser Woche kommt ein Film in die Kinos, der sich mit einem biografischen Detail ihrer späten Jahre befasst: „3 Tage in Quiberon“ heißt das Werk der Regisseurin Emily Atef, eine in wunderschönen Schwarz-Weiß-Bildern gefilmte, anrührende, dabei unkitschig erzählte Momentaufnahme. Es ist die Geschichte ihres letzten Interviews, das damals unter dem Titel „Im Moment bin ich ganz kaputt ...“ erschien. Autor: der spätere „Stern“-Chefredakteur und damalige Unterhaltungschef Michael Jürgs.
„Um. Gottes. Willen.“, habe er gedacht, als er sich selbst das erste Mal auf großer Leinwand sah, gesteht Jürgs. „Ein Kotzbrocken!“ Emily Atef erzählt die Tage an der bretonischen Küste, wohin der Filmstar sich in ein Kurhotel zurückgezogen hatte und wo die Reporter aus Hamburg sie zum verabredeten Interview besuchen, als ein Kammerspiel. Inspiriert, auch, durch die genauen Erinnerungen des Journalisten. Eine schutzlose, lebensgierige Romy Schneider (hinreißend: Marie Bäumer), ein ihr zugewandter Star-Fotograf (Charly Hübner), eine Freundin (Birgit Minichmayr), die versucht, Romy vor sich selbst zu schützen. Und ein zynischer Reporter, der scheinbar nicht davor zurückschreckt, einer Alkoholikerin Wein zum Vormittagsinterview zu ordern.
„Wäre das so passiert, wäre ich wirklich ein Arschloch“, stellt dieser Reporter dazu heute fest. Der Film gefällt ihm trotzdem. Bloß dass ihn selbst Kollegen nun mit der Filmfigur – immerhin jener mit der größten Entwicklung – verwechseln, das hat Michael Jürgs doch verletzt. Klar sei er ein ambitionierter Reporter gewesen, das Gespräch mit Romy war jedoch mehr als ein Scoop. „Es war eine besondere Begegnung. Sie war von einer solchen Offenheit, wie sie einem normalerweise nicht entgegenschlug. Verzweifelt offen. Sie wollte reden.“ Manipuliert, wie es der Film suggeriert, habe er sie nie. Dass Emily Atef, die für das Drehbuch immer wieder ausführliche Gespräche mit Jürgs führte, eine solche Figur aus dramaturgischen Gründen brauchte, leuchtet ihm dennoch ein. Auch den Schauspieler Robert Gwisdek traf er vorab, auch dieser „lakonische Typ“, sein schlaksiges Film-Alter-Ego, gefällt ihm.
Spricht Jürgs heute über Romy Schneider, ist sein Tonfall ein fast zärtlicher. Ob er Romy Schneider mochte, beantwortet er, sonst selten um direkte Erwiderungen verlegen, nicht einfach mit Ja oder Nein. „Mir wäre wohl eine kühle, klare, gesunde Romy Schneider nicht so lieb gewesen wie dieser Mensch ...“, sagt er. Ein Gefühl der Nähe sei da gewesen, Verliebtheit nie („quatschquatschquatsch, blabla“), eher eine Art Bruder-Schwester-Verhältnis.
Sein Verantwortungsgefühl gegenüber Romy Schneider sei sogar so weit gegangen, dass er sie nach dem grausamen Tod ihres Sohnes zwar noch einmal traf, im September 1981 – sich jedoch weigerte, trotz der Ansage seines damaligen Chefredakteurs daraus ein weiteres „Stern“-Interview zu machen. Was ihm eine Abmahnung einbrachte, Jürgs fand sie in seiner Personalakte, als er einige Jahre später selbst die Chefredaktion des Magazins übernahm.