Hamburg. Mozart, Wagner und Schumann stehen in der nächsten Saison auf dem Spielplan, John Neumeier feiert seinen 80. Geburtstag mit einer Gala

John Neumeier, dienstältester und frisch verlängerter Ballettintendant Hamburgs, hat bei der Saisonvorstellung von Staatsoper und Hamburg Ballett ungeahnte Entertainerqualitäten bewiesen. Das Hamburg Ballett feiert den 200. Geburtstag des Choreografen Marius Petipa mit Produktionen. Petipa sei noch mit 92 Jahren Ballettmeister gewesen, konstatierte Neumeier und sah herausfordernd in die Runde. Gelächter. „Und wir denken, er ist ein Genie!“ Erneutes Gelächter. Und als sich dann Staatsopernintendant Georges Delnon auch noch mehrfach unterbrach, weil die Federung von Neumeiers Hocker unter dem Ballettintendanten nachgab, da schlug die Veranstaltung kurz ins Alberne um.

Neumeier quittierte den Slapstick mit kokettem Lächeln und hat allen Grund zu guter Laune: Weitere fünf Jahre an der Spitze des Hamburg Balletts liegen vor ihm. Die kommende Saison schneidet er besonders auf seine eigene Biografie zu. Am 24. Februar 2019 ist nämlich sein 80. Geburtstag, was er mit der Benefizgala „The World of John Neumeier“ begeht.

Auch das übrige Programm trägt eindeutig seine Handschrift: Das Hamburg Ballett eröffnet die Saison mit der Wiederaufnahme der „Bernstein Dances“; schließlich jährt sich im August Bernsteins Geburtstag zum 100. Mal, und schließlich gehörte Neumeier zu Bernsteins langjährigen Freunden. Als Uraufführung präsentiert Neumeier das Ballett „Die Glasmenagerie“ nach dem Drama von Tennessee Williams, mit dessen „Endstation Sehnsucht“ er einen Langzeiterfolg gelandet hatte. Und zu Ehren seines New Yorker Kollegen George Balanchine bringt er „Brahms/Balanchine“ heraus. Sogar eine spartenübergreifende Arbeit kündigte der Ballettchef an: Er inszeniert und choreografiert die Neuproduktion von Glucks „Orphée et Eurydice“.

Opernintendant Georges Delnon kam aber auch noch zu Wort. Er kündigte eine weitere von Mozarts Da-Ponte-Opern an: Nach „Le nozze di Figaro“ 2015 wird am 9. September „Così fan tutte“ die neue Saison eröffnen. Ein Da-Ponte-Zyklus sei keine sehr originelle Idee, räumte Delnon ein, „aber das sind einfach geile Stücke“. Dem ist nicht viel hinzuzufügen – zumal Regie und Bühnenbild das Theater-Multitalent Herbert Fritsch übernimmt.

Katie Mitchell, die jüngst am Schauspielhaus „Schlafende Männer“ von Martin Crimp herausbrachte, inszeniert dessen „Lessons in Love and Violence“ in der Vertonung von George Benjamin für die deutsche Erstaufführung. Der Hausherr selbst führt Regie bei dem Auftragswerk „Thérèse“ von Philipp Maintz, das seine Uraufführung im Rahmen des Internationalen Musikfests in der Elbphilharmonie erleben wird.

Verdis „Nabucco“ eröffnet die zweite Folge der „Italienischen Opernwochen“ in einer Inszenierung von ­Kirill Serebrennikov – eine doppelt politische Entscheidung. Die Oper handelt von der babylonischen Gefangenschaft, und der Regisseur wurde im August 2017 wegen angeblicher Veruntreuung von Staatsgeldern verhaftet und sitzt noch immer in Moskau im Hausarrest. Delnon hatte ihn lange vor seiner Festnahme verpflichtet. Er gehe davon aus, dass sie die Produktion zusammen machen könnten, sagte er.

Auch bei Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“ sind Delnon die Zeitläufe zuvorgekommen. Die Berliner Staatsoper Unter den Linden hatte das Stück im vergangenen Jahr relativ kurzfristig zur Wiedereröffnung des Hauses aufs Programm gesetzt. Da hatte Delnon längst geplant. Regie bei dem oratoriumsartigen Brocken führt Achim Freyer, die Titelpartie übernimmt Christian Gerhaher, am Pult steht Generalmusikdirektor Kent Nagano.

Illustre Namen auch beim Repertoire. Der Tenor Jonas Kaufmann kehrt als Don José in „Carmen“ ans Haus zurück, Andreas Schager als „Siegfried“ in zwei Zyklen von Claus Guths „Ring“-Inszenierung. Feine Sopranstimmen allenthalben: Christiane Karg ist Strauss’ „Daphne“, Nino ­Machaidze Verdis „Luisa Miller“ und Hanna-Elisabeth Müller die Adina in Donizettis „L’elisir d’amore“. Auf diesem Niveau solle es weitergehen, auch dank der neuen Casting-Direktorin Annette Weber, gab Delnon zu Protokoll. Das lässt hoffen, nachdem zuletzt einige krasse Fehlbesetzungen das Bild getrübt hatten.

Die Auslastungszahlen zumindest entwickeln sich erfreulich. Der geschäftsführende Direktor Ralf Klöter sprach offen aus, man habe sich in der Saison 2016/17 in einem „besorgniserregenden“ Tal befunden. In der laufenden Saison hat sich die Gesamtauslastung für Oper und Ballett von 76,9 auf 83,7 Prozent erholt. Da ist noch Luft nach oben, aber der Trend stimmt.

Zurzeit herrscht unter alteingesessenen Besuchern Unmut über den Wegfall des alten Brauchs, wenige Wochen vor einer Vorstellung neue Kartenkontingente zu günstigen Preisen zur Verfügung zu stellen. Klöter erklärte das damit, dass sich gegenüber den 90er-Jahren das Verkaufsgeschäft grundlegend geändert habe: „Wenn im Internet eine Produktion monatelang als ausverkauft läuft, ist es schwer für uns, dann noch nennenswert Karten zu verkaufen“, erläuterte er und verwies darauf, dass man bewusst viele preisgünstige Karten ins Angebot genommen habe. Die sind im Internet für jedermann buchbar. Nur halt mit dem entsprechenden Vorlauf. Die alte Flexibilität ist Geschichte.