Hamburg. Mona Kraushaar inszeniert Friedrich Schillers „Maria Stuart“ mit neun glänzenden Schauspielern hervorragend

Am Ende steht sie allein auf der leeren Bühne. Die Konkurrentin um den englischen Thron ist zwar tot, doch Königin Elisabeth (Jele Brückner) hat alle Berater verloren, ihr Geliebter Leicester hat sie verraten und sich nach Frankreich eingeschifft. Das Todesurteil gegen Maria Stuart, die Königin von Schottland, hat sie einsam gemacht.

Dabei hat Elisabeth nicht aus persönlicher Rache, sondern im Sinne ihres Volkes gehandelt. Maria bedrohte als Spielball ihrer katholischen Feinde ihren Thron, und Elisabeth handelt in Erfüllung ihrer Pflicht, sosehr sie die Tötung verabscheut. Persönliches Glück verträgt sich nicht mit ihrer professionellen Rolle als Herrscherin. „Dem eigenen Herzen dürfen sie nicht folgen“, schreibt Friedrich Schiller in seinem im Jahr 1800 in Weimar uraufgeführten Trauerspiel.

Mona Kraushaar hat das Stück auf neun Rollen reduziert

Mona Kraushaar hat das Königinnen-Drama in einer konzentrierten und klugen Fassung am Ernst Deutsch Theater auf die Bühne gebracht. Kraushaar hat hier in vergangenen Spielzeiten auch bereits Shakespeares „Der Sturm“ und „Was ihr wollt“ inszeniert, für das sie 2015 mit dem Rolf-Mares-Preis ausgezeichnet wurde.

„Maria Stuart“ ist die beste Arbeit, die sie bisher an der Mundsburg abgeliefert hat. Zusammen mit dem Dramaturgen Stefan Kroner hat sie Schillers umfassenden Text sinnvoll gestrafft, das Personal auf neun Rollen reduziert und es geschafft, dieses verwickelte höfische Ränkespiel verständlich zu machen. In den Intrigen und unterschiedlichen Interessenlagen der Herrscher und Höflinge zeigen sich erstaunliche Parallelen zu aktueller Politik. Opportunismus, Verrat, gegenseitiges Ausspielen, Taktiererei, aber auch klare Haltungen sind in spannenden zweidreiviertel Stunden auf der Bühne zu erleben.

Im Mittelpunkt des Dramas steht der Konkurrenzkampf der beiden Königinnen. Beide stammen aus dem Geschlecht der Tudors, Elisabeth ist jedoch als uneheliches Kind auf die Welt gekommen, deshalb macht Maria (Julia Richter) dem „Bastard“ den Thron streitig. Elisabeth hat die potenzielle Rivalin in Haft genommen, als sie aus Frankreich nach England zurückgekehrt ist.

Julia Richters Maria tigert in der ersten Szene über die Bühne und erinnert an ein gefangenes Raubtier. Bühnenbildnerin Katrin Kersten hat 21 Neonröhren über ihr installiert. Das kalte Licht verstärkt das Gefühl, in ein Gefängnis zu blicken. Ihr tiefes Dekolleté und die nackten Arme verleihen ihr mehr sinnlichen Ausdruck als Elisabeth, die in ihrer ersten Szene in einen starren Reifrock steigt und ein höher geschlossenes Oberteil mit langen Ärmeln trägt. Das Kleid ist Ausdruck ihrer Funktion, nicht ihrer Persönlichkeit. Während Maria immer in Bewegung ist, steht Elisabeth inmitten ihrer Berater. Sie verkörpert das Zentrum der Macht.

Maria gilt als Schönheit, die Männer reißen sich um sie. Der junge Mortimer (Wolf Gerlach) erglüht in Leidenschaft zu ihr und will sie befreien, Graf Leices­ter (Frank Röder) hat sie früher einmal geliebt, sich aus Eigennutz aber auf die Seite der mächtigeren Elisabeth geschlagen.

Die Begegnung zwischen den Königinnen im Park von Fotheringhay wird zum Treffen der Alphatiere. Die Neonröhren sind hochgezogen, im Hintergrund der Bühne zeigt ein Prospekt mit einem großen Hirschen, dass Maria und Elisabeth sich in freier Natur treffen. Sie belauern einander, Maria versucht auf Augenhöhe mit Elisabeth zu bleiben, muss dann doch auf die Knie.

Sie scheinen sich im Gespräch zu nähern, bis Maria es doch zum ­Eklat kommen lässt, den Thron für sich fordert und Elisabeth als Bastardin beschimpft. Kraushaar interessiert weniger die erotische Konkurrenz zwischen beiden als der Umgang mit Macht und die politisch-religiösen Interessen der Protagonistinnen. Doch sie zeigt auch die Sehnsucht von Elisabeth, als Frau gesehen zu werden. Vor der Begegnung mit Maria gibt es eine neckische Szene zwischen ihr und Leices­ter, in der die Königin den Edelmann immer wieder auf Abstand hält, ihm zuletzt aber doch in die Arme fällt. Jele Brückner gibt ihrer Elisabeth plötzlich eine ganz weiche Kontur, die Machtfrau offenbart ihr Innerstes.

Nicht nur Brückner und Richter brillieren in ihren Rollen, das gesamte neunköpfige Ensemble glänzt. Für komische Szenen sorgen Claudiu Mark Draghici als französischer Gesandter und Daniel Schütter, der Sohn von EDT-Intendantin Isabella Vértes-Schütter, als Staatssekretär Davison. Hartmut Schories spielt den Grafen von Shrewsbury als besonnenen Berater mit Haltung, Dirk Ossig kämpft als Paulet mit Leidenschaft für Maria. Baron Burleigh ist bei Georgios Tsivanoglou ein eiskalter Pragmatiker und wird am Ende zum Bauernopfer, und Wolf Gerlachs ­Mortimer ist ein heißblütiger, aber auch naiver Draufgänger, während Frank Röder den Leicester als einen mit allen Wassern gewaschenen aalglatten Opportunisten spielt.

Mona Kraushaars Regie hat Staatstheater-Niveau. Die Aufführung beschert dem Ernst Deutsch Theater einen Saison-Höhepunkt und Hamburgs Theatergängern einen Pflichttermin.

„Maria Stuart“ Aufführungen bis 18.2., Ernst Deutsch Theater (U Mundsburg), Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten zu 22,- bis 42,-: T. 22 70 14 20;
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