Hamburg. Die Rock-Trolle Sigur Rós betören in der Sporthalle
Zerklüftete Berg- und Seenlandschaften, mal in Türkisblau, mal von Schwarz-weiß-Nebeln umwabert, flirren über die rückwärtige Leinwand. Unheimliches Grollen ertönt. Die Band Sigur Rós ist schon 20 Jahre im Geschäft und neben Björk der wahrscheinlich größte musikalische Exportschlager Islands.
Die raren Live-Auftritte dieser Band folgen eigenen Gesetzen. Und so unterläuft Sigur Rós auch in der Sporthalle Hamburg die Regeln der üblichen Konzert-Dramaturgie. Es gibt keine Vorband, stattdessen ein zweiteiliges Set inklusive Pause mit vielen Klassikern und neuen Songs, die von der zum Trio geschrumpften Band ohne Publikumsansprache zu Gehör gebracht werden. Die Klänge erinnern an Trance und Ambient, wäre da nicht der unerbittliche Post-Rock-Schlag des hart und mit bloßem Oberkörper arbeitenden Drummers Orri Páll Dýrason. Sänger Jónsi Birgisson traktiert seine Gibson-Gitarre mit einem Geigenbogen und entlockt ihr knarzende Melodien. Schön munkelig-melancholisch kommt diese Düsternis mit den tief gründelnden Bässen daher, konterkariert von Birgissons fast engelhaftem Falsett.
Nur gelegentlich bricht der getragene Rock mit seinen Zeitlupenrhythmen in röhrende Klangwälle aus. Etwa in dem fast schon opernhaft arrangierten Song „Sæglópur“ vom Album „Takk...“ (2005). Oder in dem ähnlich rätselhaft-traumartigen „Festival“ von „Með suð í eyrum við spilum endalaust“ (2008), einem Neun-Minuten-Klanggewitter, das sich langsam, aber machtvoll, auftürmt. Die Musik von Sigur Rós kann man aus der Konserve hören, aber eigentlich muss man sie erleben.
Die Songtexte bleiben für die meisten Fans unverständlich, denn wer beherrscht hier schon Isländisch oder die Fantasiesprache Vonlenska, was so viel bedeutet wie Hoffnungsländisch. Macht aber nichts. Kein Zweifel, dass diese Musiker träumen: von einer anderen, einer besseren Welt, die sie zumindest für zwei Stunden gewaltig aufleben lassen. Wahrhaft ein Ereignis.
Vergleichbar vielleicht mit den Auftritten der isländischen Fußball-Nationalmannschaft, die jetzt ja sogar zur WM nach Russland fährt.