Hamburg. Das Reeperbahn Festival setzt auf soziales Engagement, Protest und Chancengleichheit

Herbert Grönemeyer erhebt gerne und laut seine Stimme. Nicht nur als großer Euphorisierer in den Stadien des Landes, sondern auch als wütender Mahner der Nation. Wie sehr dem 61-Jährigen Courage, Miteinander und auch Protest am Herzen liegen, zeigte er nun erneut auf dem Reeperbahn Festival. Gemeinsam mit seinem Musikerkollegen Fetsum sowie mit sozial Engagierten, etwa von „Ärzte ohne Grenzen“, diskutierte er über das Thema „Musik bewegt – wie geht Haltung?“

Grönemeyer hielt ein flammendes Plädoyer dafür, sich nicht nur für Hilfsprojekte einzusetzen, sondern zudem die Musik selbst politisch aufzuladen. Die deutsche Poplandschaft sei, bis auf den Hip-Hop, „vernebelt“. Ein Zustand, der zur Ära Merkel passe. Der Künstler, das kam mehrfach deutlich durch, ist kein Fan der Kanzlerin. „Wir als Musiker sind dafür da, die Leute zu ärgern, nervös zu machen, aufzurütteln. Vor allem junge Kunst muss den Etablierten so richtig auf die Nerven gehen“, sagte er.

Mit Foren wie diesem positioniert sich das Reeperbahn Festival in seiner zwölften Ausgabe gezielt politisch. Während am Donnerstag die ersten Länder ihre Bands Tausenden von Popfans auf diversen Kiez-Bühnen präsentierten, debattierten die Konferenzteilnehmer parallel über Pop und Gesellschaft, aber auch über rechtliche und geschäftliche Grundlagen der Musikproduktion. Es ist durchaus beeindruckend, wie viel – salopp formuliert – Hirnschmalz da bis Sonnabend auf St. Pauli zusammen kommt. Wenn man so will, wird die geile zur smarten Meile. Etwa, wenn ein emphatisch-polternder Dieter Gorny vom Bundesverband Musikindustrie mit An­dreas Briese von YouTube beherzt über Lizenzpflicht im Internet streitet.

Da werden nicht nur theoretisch dicke Bretter gebohrt, sondern tatsächlich suchen die Akteure inspiriert nach Lösungen. Eine Strahlkraft der Ideen und Aktivitäten, die da von Hamburg ausgeht. In die Kategorie zukunftsweisender Impulse fällt auch das Projekt Keychange: Das Netzwerk hat das Ziel, Frauen in der Musikbranche zu stärken und ihre Anzahl im Pop zu erhöhen. Ein Thema, das übrigens Männer wie Frauen gleichermaßen interessierte.

Der Board Room im Arcotel Onyx am Ende der Reeperbahn quoll nahezu über, als sich Garbage-Sängerin Shirley Manson für Chancengleichheit einsetzte. „In den 90er-Jahren gab es weniger Stereotypen im Pop-Business, jetzt erleben wir einen heftigen Schritt zurück“, erklärte die Rockmusikerin. Sie verwies unter anderem auf Donald Trumps „Pussy grabbing“-Kommentar. Sowohl bei Grönemeyer als auch bei Manson zeichnete sich ab: Eine zugespitzte politische Lage führt zu verstärktem Engagement. Nun gelte es, wie Grönemeyer betonte, die Wut in Humanismus zu verwandeln.

Reeperbahn Festival bis Sa 23.9., Infos und Tickets: www.reeperbahnfestival.com; einen Blog zum Festival lesen Sie unter: abendblatt.de