Hamburg. Die Agentur Jung von Matt verantwortet die Bundestagswahlkampagne der CDU, der Konkurrent KNSK trommelt für die SPD
Die Umstände, die dazu führten, dass zwei Hamburger Werbeagenturen für die beiden großen Volksparteien SPD und CDU Wahlkampf machen, sind ebenso unterschiedlich wie die Kampagnen, mit denen sie nun um die Gunst der Wähler buhlen.
Da ist die Agentur KNSK, die in ei-nem schicken Neubau an der Außenalster residiert. Geschäftsführer Detmar Karpinski empfängt in einem riesigen Konferenzraum mit Blick aufs Wasser. Er hat erstmals 1998 für die SPD getrommelt. Damals zog Gerhard Schröder auch dank der KNSK-Kampagne ins Bundeskanzleramt ein. Auch 2002 bewarb Karpinski Schröders Wahlkampf. Zuletzt verantwortete KNSK die SPD-Kampagne zur Europawahl 2014.
Doch in den vergangenen Jahren galten nicht die Hamburger, sondern die in Düsseldorf und Berlin beheimateten Werber der Agentur Butter als die von den Sozialdemokraten favorisierten Kampagneros. Es gibt verschiedene Versionen, warum sie für die Bundestagswahl 2017 nicht zum Zug kamen. Als wahrscheinlichste gilt diese: Der damalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel verzichtete auf Butters Dienste, nachdem ihm Frank Stauss, Kreativ-Chef der Agentur, eröffnet hatte, er halte ihn für den falschen Kanzlerkandidaten. So oder so: Gabriel beauftragte KNSK. Dabei blieb es auch, als der Machtpolitiker im Januar selbst Zweifel an seiner Kandidatur hegte und statt seiner Martin Schulz auf den Schild hob.
Jung von Matt sieht sich auf einer Anti-AfD-Mission
Unter gänzlich anderen Vorzeichen kam Jung von Matt an den CDU-Etat. Zum Selbstverständnis der im links-alternativen Karolinenviertel beheimateten Agentur gehörte es seit ihrer Gründung 1991, keine Wahlwerbung zu machen. Das änderte sich, so erzählt es Jung-von-Matt-Vorstand Thomas Strerath, als die AfD in die Landtage zahlreicher Bundesländer einzog. „Wir haben uns gefragt, was das für Deutschland und die Bundestagswahl bedeutet“, sagt Strerath. „Wenn die AfD bundesweit 20 Prozent holt, würde das zu einer tektonischen Verschiebung führen, die wir nicht gutheißen. Die politische Stabilität dieses Landes wäre gefährdet.“
Vorstand und Gesellschafter der Agentur beschlossen, das selbst aufer-legte Wahlwerbeverbot zu kippen. Für die CDU habe man sich entschieden, weil „Frau Merkel als Person hohe Akzeptanz genießt“. Und auch die Kanzlerin schien ihrerseits vom Interesse der Agentur angetan zu sein. Jedenfalls hat sie es der Agentur nicht krumm genommen, dass die vor Jahren in einer Kampagne für den Autovermieter Sixt einen Witz auf ihre Kosten gerissen hatte: 2001 hatte Jung von Matt ein Motiv veröffentlicht, das Merkel einmal mit bravem Pagenschnitt und einmal mit verstrubbeltem Haar zeigte. Unter den Fo-tos war zu lesen: „Lust auf eine neue Frisur? Mieten Sie sich ein Cabrio.“ Heute trifft sich die CDU-Chefin einmal in der Woche mit den Werbern von Jung von Matt, um die Kampagne fein zu justieren. Auf die wöchentlichen Treffen mit der Kanzlerin hat die Agentur laut Strerath bestanden.
Weniger Glück mit ihren Ansprechpartnern bei der SPD hatte KNSK. Erst wechselte die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley ins Bundesfamilienministerium, dann fiel Schulz’ Wahlkampfchef Markus Engels krankheitsbedingt aus. Nun muss die Agentur sich mit dem neuen SPD-General Hubertus Heil abstimmen. „Das war nicht ideal“, räumt Karpinski ein. Ein großer Wettbewerbsnachteil sei der Wechsel der Ansprechpartner aber auch nicht gewesen.
Die SPD-Kampagne von KNSK ist routiniert. Der Slogan „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ ist angesichts des Leitmotivs der Kampagne nur konsequent. Die Bilder der beiden Spots – im einen sind nur fröhliche Kinder zu sehen, im anderen auch ebensolche Erwachsene – wirken austauschbar. Dazu dudelt ein heiterer Popsong. So könnte man auch für Waschmittel oder Schokoriegel werben. Die Heile-Welt-Optik der Spots steht auch in eigentümlichem Kontrast zum Anliegen der SPD, die bekanntlich eine Gerechtigkeitslücke in Deutschland ausgemacht hat. Davon ist in der Wahlwerbung nichts zu sehen – anders als etwa bei den Grünen, die in ihrem Spot auch einen Obdachlosen und kaputte Umwelt zeigen.
Davon hält Karpinski nichts. Er zitiert den US-Werber Phil Dusenberry, der einst für Ronald Reagan warb. „Sell a dream“, sei dessen Erfolgsrezept gewesen. Auch Kritik an der etwas biederen Bildsprache ficht den KNSK-Chef nicht an. „Wir wollen weniger Junior-Art-Direktoren in Werbeagenturen und gelangweilte Journalisten in Berlin-Mitte ansprechen“, sagt er. „Wir machen Massenkommunikation, unsere Zielgruppe ist ganz Deutschland. Dazu gehört die 40-jährige Krankenschwester genauso wie die 80-jährige Rentnerin oder der 18-Jährige ohne Job.“
Bieder kann man den CDU-Spot von Jung von Matt nicht nennen. Sein zentrales Motiv ist ein Embryo im Mutterbauch, zu dem die Kanzlerin über das Deutschland von morgen spricht. Das ist zumindest originell. Der dazu gehörige Slogan „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gern leben“ ist zwar dröge Wahlkampfprosa. Doch die Werber machten daraus ein Hashtag-Kürzel – und zwar #fedidwgugl –, wie man es beim Kurznachrichtendienst Twitter verwendet. Zudem verwandelten sie ein altes Kaufhaus in Berlin-Mitte in ein #fedidwgugl-Haus. Dabei handelt es sich um eine Art begehbares CDU-Programm, von dem es im Netz auch eine Digitalversion gibt. Damit erntete die Union im Netz zwar hier und da Hohn und Spott, erreichte aber auch technikaffine junge Zielgruppen. „Wir sind da bereits auf mehrere Millionen Kontakte im Netz gekommen“, freut sich Jung-von-Matt-Vorstand Strerath. „Das reale #fedidwgugl-Haus haben schon mehrere tausend Menschen besucht.“
Etwas Vergleichbares hätte mancher im Willy-Brandt-Haus auch gern. Die eigene Kampagne gilt vielen dort als „zu lahm“. Das mag ein wenig ungerecht sein, denn zumindest einen großen Moment hat die KNSK-Kampagne: Unmittelbar bevor die CDU ihren Embryo-Spot veröffentlichte, bekam die Agentur Wind von dem Motiv. Sie produzierte ihre eigene Version des Films mit der Stimme von Schulz statt der von Merkel – und kam damit früher heraus als die Partei der Kanzlerin mit ihrem Video.