Hamburg. Schauspieler Moritz Bleibtreu kehrt für eine zweite Staffel in die Rolle des Strafverteidigers Friedrich Kronberg zurück.
Er hat sich bewährt. Vor zwei Jahren spielte Moritz Bleibtreu den Strafverteidiger Friedrich Kronberg, der in der ZDF-Serie „Schuld“ besonders knifflige Fälle bearbeiten musste. Die sachkundige Vorlage stammte vom Juristen und Autor Ferdinand von Schirach. Jetzt kehrt Bleibtreu, der seine Karriere einst beim Fernsehen begann, bevor er ein Kinostar wurde, für eine zweite Staffel in diese Rolle zurück. Im ersten Fall geht es um einen Mann, dessen Leben fast zerbricht, nachdem er wegen Kindesmissbrauchs angeklagt und verurteilt wird. Als er nach der Haft die nun junge Frau wieder trifft, die gegen ihn ausgesagt hatte, plagen ihn üble Rachegelüste.
Hamburger Abendblatt: Kann man durchs Leben kommen, ohne Schuldgefühle gehabt zu haben?
Moritz Bleibtreu: Hoffentlich nicht. Das Kloster, in dem das funktioniert, muss erst noch gebaut werden.
Macht die Allgegenwart dieser schwierigen Emotion einen Reiz dieser Serie aus?
Bleibtreu: Man wird bei uns mit Abgründen der menschlichen Seele konfrontiert. Man reflektiert danach wohl auch das eigene Leben noch einmal. Vielleicht kann man besser mit der eigenen Schuld umgehen, wenn man sieht, mit welchen massiven Problemen andere Menschen zu kämpfen haben. Als ich die Drehbücher gelesen habe, bin ich ganz demütig geworden. Ich hatte danach das unbändige Gefühl, meine Familie in die Arme zu nehmen und zu sagen: Ich liebe euch! Wer selbst genügend Liebe abbekommen hat, macht in den seltensten Fällen so etwas, wie die Täter in der Serie.
Es passiert nicht so oft, dass man später noch einmal einer Rolle wieder begegnet wie in „Schuld“. Im Kino ist es Ihnen gerade mit der Kifferkomödie „Lommbock“ passiert, eine Fortsetzung von „Lammbock“ aus dem Jahr 2001. Wie verlaufen solche Déjà-vu-Erlebnisse ab?
Bleibtreu: Man kann die Zeit, die vergangenen ist, in das Spiel mit einfließen lassen. Das macht sehr viel Spaß. So etwas wie mit „Lommbock“ passiert einem im laufe der Karriere nicht allzu oft. Bei „Schuld“ erfährt man, auch wenn die Figur des Rechtsanwalts gar nicht so viel eigenständig handelt, in jeder Folge ein bisschen mehr über ihn. Gleichzeitig bleibt er ein Mysterium. Das ist spannend zu spielen. Der einzige Grund, warum Schauspieler aus der Generation meiner Mutter keine Serien spielen wollten, war, dass die Rollen so flach geschrieben waren. Sie machten keine Entwicklungen durch. Die Werbung war damals spannender als die Geschichten. Heute ist das andersherum.
Normalerweise geht der Tiefgang vom Helden aus. Hier ist das ein bisschen anders.
Bleibtreu: Wenn er Tiefgang haben und auch noch einen Fall lösen soll, ist das für 45 Minuten ganz schön viel verlangt. Deshalb hat man dem Helden früher oft interessante Nebenprobleme angeheftet wie zum Beispiel eine Alkoholsucht oder die Liebe zu einer Prostituierten. Wirklichen Tiefgang bringt das auch nicht, es macht die Figur aber etwas vielschichtiger. Meine Figur Kronberg ist eher eine Art Conferencier, der den Zuschauer an die Hand nimmt. Das Salz in der Suppe sind aber die einzelnen Episoden. Die gehen in jeder einzelnen Folge einmal so richtig ans Eingemachte. Das macht dieses Format so besonders.
Im ersten Fall geht es um die Rachegelüste eines Mannes, die man sogar verstehen kann, obwohl ihre Umsetzung natürlich illegal wäre.
Bleibtreu: Das gesprochene Recht geht oft nicht mit der gefühlten Gerechtigkeit einher. Es ist aber trotzdem unerlässlich, so ein Rechtssystem zu haben. Das Individuum darf moralisieren, der Rechtsstaat nicht. Die Alternative wäre ein moralisierendes Rechtssystem. Das ist der Ansatz der Typen, die einen Gottesstaat ausrufen wollen. Wir Menschen mögen es, wenn die Dinge einfach und überschaubar sind. Und wenn etwas unübersichtlich ist, dann unser Strafrecht. Ich könnte nie im wirklichen Leben ein Anwalt sein, weil ich niemals die Distanz zu den Fällen hätte, die Ferdinand von Schirach hat.
Von Schirach war Bestsellerautor und verkauft jetzt höchst erfolgreich die Filmrechte ans Kino und Fernsehen. Was macht seine Geschichten so attraktiv?
Bleibtreu: Man freut sich über die Intelligenzija. Das Gleiche wie mit Schirach wird mit Sebastian Fitzek und Michael Tsokos passieren, die „Abgeschnitten“ geschrieben haben, bei dessen Verfilmung ich mitspiele. Eins der größten Probleme in der Filmbrache Deutschlands waren immer die Autoren.
Hat sich das denn jetzt geändert?
Bleibtreu: Ja. Vieles von dem, was Streamer oder Sender jetzt machen, kommt nicht daher, dass sie plötzlich über Nacht wissen, wie eine gute Serie aussieht. Das ist einfach nur Panik. Eine ganze Führungsschicht hat Angst um ihre Jobs. Sie sagen: Wir müssen jetzt unbedingt sofort etwas Ambitioniert-Verrücktes machen. Deswegen haben jetzt einige Leute die Gelegenheit, sich ein bisschen auszutoben. Das ist eine gute Sache. Die über Jahrzehnte gewachsenen Vertriebsstrukturen bei Sendern und im Kino werden jetzt noch einmal auf links gedreht. Die Öffentlich-Rechtlichen finanzieren sich über Rundfunkgebühren und Werbung. Rundfunkgebühren und Einschaltquoten waren aber schon immer ein Problem. Ich habe darüber mal einen Film gemacht: „Free Rainer“. Wenn die Werbekunden merken, dass die Werbeetats bei ARD und ZDF verpuffen, werden sie das Geld eben da investieren, wo geguckt wird.
Von Ihnen ist noch einiges in der Pipeline. „Abgeschnitten“ kommt Anfang des Jahres ins Kino. 2018 wird wohl auch der horizontal erzählte TV-Sechsteiler „Die Protokollantin“ gesendet.
Bleibtreu: Das wird ein starkes Ding. Iris Berben spielt so, wie man sie noch nicht gesehen hat. Horizontal zu erzählen ist schwer, das hat man an den bisher fehlgeschlagenen Versuchen gesehen. Wir haben dafür keine großartigen Vorbilder in Deutschland, trotzdem vergleichen wir uns in der Hinsicht gern mit den Vereinigten Staaten. Die haben aber 1982 schon das schicke „Miami Vice“ auf die Bildschirme gebracht, da waren wir immer noch beim biederen „Derrick“.
Sie haben vor kurzem In „Nur Gott kann mich richten“ zum ersten Mal nicht nur gespielt, sondern auch koproduziert. Wie ist es gelaufen?
Bleibtreu: Das war für mich eine völlig neue Erfahrung und eine tolle Zusammenarbeit. Ich freue mich schon, wenn der Film im Januar in die Kinos kommt.
Sie wollen schon seit Jahren Ihren ersten Film inszenieren. Was ist aus diesen Regieplänen geworden?
Bleibtreu: Nach den Erfahrungen, die ich bei „Nur Gott kann mich richten“ gemacht habe, bin ich so nah dran, wie noch nie