Die Schlagerkönigin spielt kommende Woche fünfmal in Hamburg – Festtage für Hardcore-Fans. Das Abendblatt traf einen von ihnen.
Als Erstes zeigt Natascha Röhe die Bilder und Videos auf ihrem Handy. Helene Fischer im Volksparkstadion vor zwei Jahren, „da hatte sie ihr gelbes Kleid nicht mehr an, sondern das andere, das danach nirgendwo zu sehen war, die Fotografen mussten ja längst wieder weg sein“. Helene Fischer bei „Carmen Nebel“, „da war ich kurz eingeblendet“. Helene Fischer auf dem Spielbudenplatz, „da hat sie in meine Richtung getanzt“.
Röhes Augen strahlen. Ihr Blick sagt auch: Ich war dabei, und sie hat mich wahrgenommen. Für Röhe (48) beginnt jetzt die tollste Woche des Jahres. Fünfmal spielt die Schlagerkönigin in Hamburg. Röhe geht auf drei Konzerte: Mittwoch, Freitag, Sonntag. Der Dreiklang im Musikhimmel, für Röhe, aufgewachsen in Volksdorf, wohnhaft in Bergedorf, ist ihr Helene-Trio genau das. Helene, sagt Natascha Röhe, „gibt mir unglaublich viel, sie begleitet mich mit ihren Songs durch jeden Tag“.
Eindeutiges Bekenntnis
Sie trägt ein selbst gestaltetes Oberteil, auf dem in roten Druckbuchstaben „Helene“ steht und darunter handschriftlich „changed my life“. Fischer hat also ihr Leben verändert, das ist doch mal ein eindeutiges Bekenntnis. Es ist das rote Herz, das unter Röhes Hals hängt und das symbolisch für all das steht, was Röhe mit Fischer verbindet. Fan-Liebe ist eine gewaltige Leidenschaft, sie macht Menschen nicht nur zu Modedesignern, sie macht sie zu glücklichen Menschen, weil sie sammeln, reisen, schwärmen. Weil sie feiern, singen, weil sie geben und nehmen. Ohne Fans gäbe es keine Stars, und ohne Stars würde den Fans jemand fehlen, den sie bewundern, an dem sie sich aufrichten können. Oder der ihrem Leben einen Inhalt gibt.
Was Inhalt angeht, kann Röhe sich nicht beklagen. Vier Kinder, alleinerziehend, nicht immer ist alles leicht, mit Krankheiten, Trennungen, was eine Familie eben so mit sich bringen kann. Sie ist im zweiten Beruf ausgebildete Pflegefachkraft („Am Tag vor der Abschlussprüfung fuhr ich nach Rostock zu Helenes Konzert“), derzeit arbeitet sie bei einer Zeitarbeitsfirma. Ihre vier Kinder besuchten und besuchen alle das Gymnasium, „das ist mir wichtig“. Und alle Kinder haben Musikunterricht, keines von ihnen steht auf Helene Fischer. Natürlich nicht, Natascha Röhe lacht.
Im Auto muss sie andere Musik auflegen
Helene Fischer ist das Gegenteil von cool. Und dennoch hören sie Millionen. Viele, sagt Röhe, „stehen aber nicht dazu, die machen das heimlich“.
Ihre Kinder, wie gesagt, aber nicht mal das. Wenn Mama von Helene anfängt, heißt es: nicht schon wieder Helene. Im Auto muss sie andere Musik auflegen, wenn die Kinder mitfahren. „Unmöglich“ fanden die es, dass sie die Bilder des Nachwuchses im Geldbeutel durch ein Helene-Foto ersetzt habe, sagt Röhe und lacht noch einmal.
Jeden Tag hört sie ihre Songs
Ist sie ein klassischer Helene-Fischer-Fan? Was ist ein klassischer Helene-Fischer-Fan? Es könnte ein Vorurteil sein, das besagt: Nur weniger Gebildete hören Schlager. Seit „Atemlos durch die Nacht“ Party- und Fanmeilen-tauglich geworden ist, singt Fischer für die Mitte der Gesellschaft. Fischer wird von (fast) allen gehört, aber von vielen eben lieber im Zustand der Trunkenheit als der Nüchternheit. Offen zur Schau gestellte Dauer-Leidenschaft, die gibt es nur in der Liga der Hardcorefans. Röhe ist so einer.
Was bedeutet es, Fan von jemandem, von Helene Fischer zu sein? Im Falle von Natascha Röhe: jeden Tag ihre Songs zu hören. Letztens hat sie den Job gewechselt. Es war, na klar, ein Helene-Fischer-Song, der ihr Mut machte: „Mal das Unmögliche zu wagen“, heißt es in „Genau mein Ding“.
WhatsApp-Gruppe mit Gleichgesinnten
Fan zu sein heißt, auf die Konzerte zu fahren, in einer WhatsApp-Gruppe mit Gleichgesinnten („Die Zuckerpuppen“) zu sein, alle DVDs und CDs zu besitzen, viel Geld auszugeben. Fan zu sein heißt, das Objekt der Bewunderung gegen alle Kritik zu verteidigen. Helene Fischer zu seicht, zu unpolitisch, zu berechnend, zu perfekt – nichts davon lässt Röhe gelten.
Der offizielle Fanclub – die meisten Popkünstler haben einen – ist übrigens eine elitäre Gesellschaft. Aufnahmegebühr 20 Euro, bei Helene kann längst nicht jeder rein, bei den wahren Fans gibt es klare Hierarchien. Fans wie Röhe, die zum Fanclub gehören, sind organisiert, um immer informiert zu sein. Um vor anderen Karten kaufen zu können. Auf Konzerten bleibt man in der Anhimmelung nicht allein. Man kann sich, sagt Röhe, mit nicht länger Wildfremden, „endlich ungeniert über unseren Schwarm austauschen“.
So muss man als Megafan sein
Und trotzdem bedeutet Röhes Helene-Leben auch: allein unterwegs sein. „Das ist meins“, sagt Röhe, sie sagt das so auch zu ihren Kindern und meint: Das ist meine Leidenschaft, meine Passion, mein Hobby, meine Freude. Alltagsflucht, powered by Helene.Wenn Fan-Liebe auch zu viel sein kann, dann will Natascha Röhe ihre Grenzen kennen (man denke an dieser Stelle an Robert de Niro als vor gar nichts zurückschreckender Fan in „King of Comedy“). Röhe sagt: „Ich bin Fan, ohne zu belästigen“.
Und doch ist sie als Typ wohl einfach so, wie man als Mega-Fan sein muss: Sie erzählt mit Überzeugung und Selbstbewusstsein, was beinah arglos ist angesichts des Spottes, der ihr ja auch entgegenschlagen könnte, von früheren Liebesbezeugungen. Da gab es etwa einst Rosen für den Phantom-der-Oper-Hauptdarsteller. Blumen für Helene hat sie auch reingeschmuggelt, aber die wollte sie dann nicht.
Büchse der Pandora
Man kann als Star auch die Büchse der Pandora öffnen. Besser, man lässt sie zu. Sonst quillt sie irgendwann über vor Kuscheltieren und Gebinden. Die Währung unter Fans: Innenraum, Direktkontakte, vom Star irgendwie wahrgenommen werden, kein „normaler“ Fan zu sein. „Jeder will doch etwas Besonderes sein“, sagt Röhe.
Sie würde Fischer gerne mal treffen. „Ihr sagen, wie toll es ist, dass sie sich so für uns anstrengt“, erklärt Röhe, und das klingt dann in seiner Unschuld unbedingt rührend. Sie ist aber jetzt voll im Anhänger-Modus, lässt jede Zurückhaltung fahren: Eigentlich, denkt man, wäre sie gerne Fischers beste Freundin. Realitätsverlust? Nein. Aber der Wille zum Bewundern.
Wenn Röhe traurig ist, hört sie nicht zwangsläufig Helene Fischer. „,Herzbeben‘ hilft nicht, wenn man schlecht drauf ist, da rufe ich doch lieber eine Freundin an“, sagt Röhe. Vielleicht ist die eine von denjenigen Freundinnen, die zwar trösten können, aber die Helene-Leidenschaft nicht ganz verstehen. Als Fan ist man manchmal auch die einsame Ruferin in der Wüste.
Ihr jüngster Sohn ist 13 und begleitet Röhe zum Konzert am Sonntag. Sie möchte, dass er selbst sieht, warum Helene Fischer ihr Leben ist. (Mitarbeit: Lilli von Stengel)
Helene Fischer 19., 20., 22., 23. und 24.9. in der BC Arena. Alle Konzerte sind ausverkauft.