Hamburg. “Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“, einmal aus Sicht von Theater- und Literaturkritik betrachtet.

Es ist, zugegeben, eine sehr dankbare Aufgabe, den Bestseller „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ von Joachim Meyerhoff auf die Bühne zu bringen. Das zweite Buch des Lebenserinnerungsprojektes, in dem der Schauspielstar von Burgtheater und Schauspielhaus seine Kindheit und Jugend verarbeitet, avancierte mit seinen humorigen Betrachtungen des ganz normalen Familienwahnsinns zum Bestseller. Regisseur Christof Küster hat aus dem Stoff eine absolut hitverdächtige Uraufführung am Altonaer Theater gezaubert.

Der lässige Erzählton schafft so manchen Kalauer

Wunderbar schon das gläserne Aquarium-Haus von Ausstatterin Maria Martínez Peña, in dem allerlei Requisiten kopfüber von der Decke hängen. Manches ist hier buchstäblich anders. Die Kindheit Josses, den Jonas Anders als Erzähler mit optisch und stimmlich schon beängstigender Nähe zum echten Meyerhoff und Calvin Peters zusätzlich als Spielfigur gibt, ist keine gewöhnliche. Der Vater ist Direktor der benachbarten Psychiatrie bei Schleswig. Kai Mertens verkörpert ihn grandios als universell gebildeten, aber lebensuntüchtigen Geistesarzt. Die vermeintlich „nicht normalen“ Patienten sind Alltag auch für die drei Söhne. Lange schwelgt die Inszenierung in der heilen, wenn auch eigentümlichen Familienwirklichkeit: gemeinsame Fernsehabende, Streit unter Brüdern, der vierzigste Geburtstag des Vaters. Der lässige Erzählton schafft so manchen Kalauer. Risse im Gefüge deuten sich an. Der Vater schottet die Familie ab und hat Affären. Seine von Gundi-Anna Schick abgeklärt gegebene Ehefrau leidet stumm.

Das bis in die Nebenrollen hervorragend besetzte Ensemble begeistert das Publikum mit Spiel- und Fabulierlust, ohne seine sensiblen Figuren zu verraten. Robert Zimmermann überzeugt als ewig pieksender mittlerer Bruder, Florian Rast als verpeilter älterer Bruder. Lisa Tschanz verkörpert mit großer Menschenliebe einige Klinikinsassen, und Uta Krüger berührt als selbstmordgefährdete Marlene.

Christof Küster hat aus dem mit Anekdoten und bald auch Tragödien gespickten Stoff eine Diaschau der Vergangenheit kreiert, die das richtige Maß von Übertreibung und Zurückhaltung findet. Der Tod des Vaters am Ende schafft die Befreiung des Sohnes, der sich nun traut, die scheinbare Verlässlichkeit der Vergangenheit hinter sich zu lassen, „das Chaos anzunehmen, zu gestalten und zu feiern“. Eine universelle Lebenswahrheit, in der sich nicht nur angehende Ausnahmeschauspieler wiederfinden. (Annette Stiekele)

Zu viele Literaturadaptionen? Nein, zu viele gute Bücher!

Unter Theaterkennern ist die Klage über die vielen Literaturadaptionen nicht selten zu hören. Fallen denn niemandem mehr Originalstoffe ein? Tja, wenden wir es positiv: Es gibt einfach zu viele gute Bücher. Zwar schreit längst nicht jeder Stoff nach der Bühne, aber im Falle von „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ ist der Ruf nach den Brettern deutlich vernehmbar. Von beinah jeder Seite dieses großartigen Zyklus ist der Ruf zu hören. Das ist kein Wunder: Der Bühnen- und Buchriese Joachim Meyerhoff hat den Stoff seiner autobiografischen Romane zunächst in einer Solo-Performance im Theater entwickelt. Die herrlich schräge und bizarre Geschichte von Meyerhoffs Familie ist in der Bearbeitung Christof Küsters ein echter Big Point für das Altonaer Theater.

Oder in anderen Worten: Meyerhoff ist jetzt wieder da, wo er eben hingehört. Auf der Bühne, wo der Situationswitz und die Dialogkomik der Romane, aber auch der epische Grundton (in der Altonaer Inszenierung durch den Erzähler Jonas Anders) prächtig zur Geltung kommen. Das Erzähltalent Meyerhoffs hat seine Romane nicht unbedingt auf eine spätere Rückkehr auf die Bühne angelegt, aber auf Pointen hingeschrieben sind sie eben schon. Wie soll es bei dieser Handlung auch anders sein?

Eine Jugend in der Klapse als jüngster von drei Brüdern, die gerade in einem solchen Maße geistreich sind, dass Konkurrenz, Kabbelei und Kindsköpfigkeit nicht als banale Routine erscheinen. Ein Aufwachsen unter dem Blick eines warmherzigen, aber auch abgründigen Vaters, der in seinen Moralvorstellungen überaus freigeistig ist.

Ein gelungener Theaterabend funktioniert immer über eine geschickte Dramaturgie und ein tolles Ensem­ble – „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ ist in jeder Rolle gut besetzt – und ist doch eine oft fragile Angelegenheit. Besonders wenn es um adaptierte Stoffe geht. Das Leise im Buch wird zum Laut auf der Bühne, der subtile Zwischenton wird zum grellen Schauspielgebrülle, und wo Humor draufsteht, verbirgt sich nicht gerade selten die Klamotte. Hier aber sind Literatur und Bühne zwei Seiten derselben Medaille. Der Erzähler Meyerhoff ist ein Beschwörer des Szenischen, und das kommt im Theater bestens zur Geltung. Auf der Bühne lassen sich die vielen wunderbaren Situationen, lässt sich all das ausagieren, was im isolierten Schreib- und Leseprozess an Text und Vorstellung entstanden ist.

Katharsis gibt es eben nur hier: Das Lachen ist viel, viel lauter als auf dem Lesesofa. Die Meyerhoff-Lesungen heben die Texte übrigens auch schon über die Literatur hinaus. Muss man auch mal erlebt haben. (Thomas Andre)

„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“ bis 22.10., Altonaer Theater, Museumstraße 17, Karten unter T. 39 90 58 70