Hamburg. Ulla Hahn über ihre DKP-Vergangenheit und den abschließenden Band ihrer Hilla-Palm-Saga
Etwa 20 Jahre arbeitete Ulla Hahn an ihrem großen, autobiografischen Epochenporträt. Nach „Das verborgene Wort“ (2001), „Aufbruch“ (2009) und „Spiel der Zeit“ (2014) ist „Wir werden erwartet“ die letzte literarische Lieferung der Hilla-Palm-Saga. In diesem letzten Band fragt die so beherzte wie souveräne Erzählerin Ulla Hahn vor allem nach den Ursachen politischer Kämpfe und der später notwendigen Verabschiedung aus diesen.
In Ihrem neuen Buch geht es vor allem um die „roten“ Siebzigerjahre. Wie präsent sind die Ihnen noch?
Ulla Hahn: Die Sechziger- und Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts waren prägend für die alte Bundesrepublik und auch für mich. Bei meiner Arbeit ist mir das von Tag zu Tag deutlicher geworden.
Haben Sie im Verlaufe Ihres Lebens mit Ihrem Engagement für den Kommunismus, Sie waren DKP-Mitglied, stark gehadert?
Als ich vor nahezu 20 Jahren das Hilla-Palm-Projekt begann, hat mich vor allem die Frage interessiert: Wie kam es zu diesem Engagement für diese Partei? Ich bin der Frage bis an die Wurzeln nachgegangen: meiner Herkunft aus einer katholischen Arbeiterfamilie. In der Partei suchte ich die Möglichkeit, mehr Freiheit und Gerechtigkeit für alle, besonders aber für die „kleinen Leute“ auf dieser Welt zu verwirklichen. Aber beim Schreiben habe ich mich mehr als einmal gefragt: Wo hast du damals deinen Verstand gelassen? Und beim Zusammenprall mit der Realität, der Reise in die DDR, war es mit der roten Blauäugigkeit ja schnell vorbei.
Wo sind Ihnen die alten Ideale heute noch nahe?
An meinen Idealen hat sich nichts geändert. Aber leider hat der große Sozialist August Bebel recht: Es ginge schon; aber es geht nicht.
Gibt es auch Leser, die sich als Ihre alten Weggefährten in dem Buch wiedererkennen dürften?
Womöglich die eine und der andere, der oder die jedoch mit Sicherheit nicht gemeint war. Schließlich haben sich damals so viele so vielseitig engagiert. Doch dieses „Wiedererkennen“ erlebe ich häufig: Leserinnen und Leser verwechseln dann die Ebenen von Fiktion und Realität.
Und wie oft fragen Sie Leser, was Ulla tatsächlich selbst erlebt hat und was für Hilla erfunden wurde?
Mir kam es immer darauf an, Erfahrungen und Erfindungen miteinander zu einem Dritten zu verschmelzen: dem Roman. Sonst hätte ich eine Autobiografie geschrieben.
Ihr Erzähl-Projekt endet mit diesem Band Mitte der Siebzigerjahre. Erscheint Ihnen das Danach nicht mehr interessant genug?
Ich habe den vierten, letzten Band all denjenigen gewidmet, die mich auf meinem schwierigen Weg in die Freiheit begleitet hatten. Angekommen, ist das Projekt nun abgeschlossen. Die Frage nach Gründen für die Verführbarkeit aller Menschen, die für eine bessere Welt eintreten, habe ich für mich zu beantworten versucht. (tha)