Berlin. Jessy Wellmer ist erst die zweite Frau, die die Fußball-Bundesliga am Sonnabend in der ARD präsentieren darf

Als Moderator Jörg Thadeusz zum großen Rundumschlag ansetzt, nimmt die Präsentation der Neuen so langsam Fahrt auf: „Fußball“, sagt er, „ist doch der konservativste, wenn nicht gar der reaktionärste Teil unseres modernen Lebens. Homosexualität gibt es da gar nicht. Und Frauen tauchen nur als Staffage auf.“

„Ja“, antwortet Jessy Wellmer, die neue Moderatorin der Sonnabendausgabe der ARD-„Sportschau“, „für viele ist Fußball ein heterosexueller Jungensport. Aber seit dem Sommermärchen 2006 hat sich was getan. Bibiana Steinhaus pfeift als erste Frau in der Bundesliga. Ich werde als zweite Frau die ,Sportschau’ am Samstag moderieren. Und bestimmt wird es demnächst einen zweiten und dritten Thomas Hitzlsperger geben, der sich als schwul outet. Ich jedenfalls moderiere gern Fußball für dich, deine Frau und eure schwulen Freunde.“

Nachfolgerin von Monica Lierhaus

Rums, das hat gesessen. Da hat die 37-Jährige, assistiert von Thadeusz, mal eben so in einige der empfindlichsten Problemzonen des deutschen Volkssports Nummer eins gepiekt. Denn der Fußball ist ja tatsächlich nach wie vor eine Domäne des einfachen, nicht sonderlich politisch korrekten Mannes. Eine Frau, die sonnabends die Sportschau moderiert, das Hochamt des deutschen Fußball-TV, ist folglich nach wie vor keine Selbstverständlichkeit.

Das sieht man auch daran, dass der RBB, der Heimatsender der Jessy Wellmer, für deren Präsentation eine VIP-Loge im Berliner Olympiastadion angemietet hat und sie von keinem geringeren als Star-Talker Thadeusz befragt wird. Der versucht Fettnäpfchen aus dem Weg zu gehen. Bewusst habe er sich die Frage verkniffen, wie die Wellmer denn Kinder und Beruf unter einen Hut bringen könne, wird er später sagen. Allerdings fragt er sie, ob es denn „einschüchternd“ sei, für ein Publikum zu moderieren, dass größtenteils aus irrationalen Fußballfanatikern bestehe.

Dass Frauen im TV-Fußball noch immer nicht Normalität sind, hat auch die ARD zu verantworten. Mehr als acht Jahre hat die Suche nach einer Nachfolgerin von Monica Lierhaus gedauert. Warum, vermag auch Steffen Simon, der als WDR-Sportchef die „Sportschau“ verantwortet, nicht so recht zu erklären. „Ich muss den Vorwurf gelten lassen“, sagt er schließlich, „dass es so lange gedauert hat.“

Obwohl Jessy Wellmer bereits die Sonntagsausgabe der ARD moderiert und auch schon von den Olympischen Spielen in Rio berichtete, dürfte sie für die meisten TV-Zuschauer ein neues, frisches Gesicht sein. Sie ist ironischer und auch frecher als ihre Vorgängerin Lierhaus. Einen Olympioniken fragte sie in Rio, welche Pizzasorte er denn sein wolle, wenn er eine Pizza wäre. Auch Selbstironie ist ihr nicht fremd. Bei ihrer Vorstellung sagte sie, dass sie wie ein „erschossenes Eichhörnchen“ aussehe, wenn sie unter Druck stehe: „Dann gucke ich mit starrem Blick in die Kamera.“ Es ist unwahrscheinlich, dass man die Moderatorin künftig um 18 Uhr im Ersten als gemeucheltes Nagetier erleben wird – auch wenn sie einräumt vor dem „Kulturgut Sportschau“ einen Heidenrespekt zu haben. Denn das Selbstbewusstsein, das diese Frau schon jetzt ausstrahlt, ist groß.

Als freche Rampensau wurde die Wellmer allerdings nicht geboren. Im Gegenteil: Als Kind sei sie schüchtern gewesen. Obwohl sportlich veranlagt, habe sie nie auf eine Sportschule gehen wollen. „Ich habe lieber schöne Nachmittage mit meinen Freunden an der Bussi verbracht.“ „Bussi“, so haben sie in ihrem Heimatort Güstrow in Mecklenburg die Bushaltestelle genannt.

Auch später deutete nichts auf eine Karriere als Sportmoderatorin hin. Die junge Mecklenburgerin wollte Psychologin werden. Doch weil sie an der Berliner Humboldt-Universität, an der schon ihr Vater studierte, nicht genommen wurde, machte sie dann etwas mit Medien. Irgendwann wurde die angehende Journalistin dann extrovertierter. Aber das dauerte. Erst nach einem Jahr beim rbb traute sie sich vor die Kamera.

Vorbilder hat die neue Moderatorin der Sonnabend-„Sportschau“ nach eigenem Bekunden nicht. Doch ihr imponiert der Kollege Alexander Bommes. „Ich finde Alex toll“, sagt sie. „Der steht da mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit. So wie er im Fernsehen rüberkommt, ist er auch.“