Hamburg. Robert Rauschenbergs Plakate stehen im Mittelpunkt einer wirklich faszinierenden Schau im MKG in der Nähe des Hauptbahnhofs.
Bei Robert Rauschenberg, dem gigantischen Alleskönner aus den USA, von Haupt- und Nebenwerk zu sprechen, verbietet sich aus mancherlei Gesichtspunkten. Der überzeugte Stilmixer, der wenig überraschend mit der Formstrenge zum Beispiel des Bauhauses nichts anfangen konnte, trat als Maler, Bildhauer, Performance-Künstler, Fotograf, Choreograf und Komponist in Erscheinung. Er war der Tausendsassa der modernen Kunst, oder noch besser, weil es klein manchmal nicht geht: der „Titan der amerikanischen Kunst“, wie die „New York Times“ ihn einmal nannte. Aber zumindest Rauschenbergs Poster, die jetzt in einer Ausstellung des Museums für Kunst und Gewerbe (MKG) zu sehen sind, darf man wohl doch, trotz einer gewissen Hierarchielosigkeit der Interessen, als Nebenprodukte seiner Schaffenskraft bezeichnen. Was sie nicht weniger faszinierend macht.
Rauschenberg (1925–2008), der vor allem mit seiner Werkreihe „Combines“, bei der er Gegenstände auf Fotoreproduktionen montierte, berühmt wurde, entwickelte früh ein Faible für das Poster als Träger seines Kunstgedankens. Oder ganz einfach ausgedrückt: Er hielt es zunächst einmal für eine gute Idee, die Werbeplakate für seine Veranstaltungen und Schauen selbst zu gestalten. Es waren freilich keine Plakate oder Flyer, die in großer Zahl und Auflage erschienen. Meist und besonders dann, wenn die Plakate großformatig waren, wurden sie direkt für den Markt geschaffen. Spätestens in den Siebzigerjahren, als Rauschenberg, der „Opa der Popart“, anfing, Plakate in größerer Zahl zu gestalten, war er ein Star, der hoch gehandelt wurde – wahrscheinlich hätte er ein Werbeplakat für den örtlichen Friseur machen können und damit einen guten Preis erzielt.
Wimmelbilder der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte
Im Verlaufe seiner Karriere entstanden etwa 170 Plakate, von denen sich nach einer Schenkung des Hamburger Sammlers Claus von der Osten etwa 160 im Besitz des MKG befinden. 120 von ihnen werden nun in der kundig kuratierten Ausstellung gezeigt. Sie läuft übrigens gleichzeitig mit Keith Harings Poster-Schau. Weswegen dem MKG das Kunststück gelingt, nicht nur die bislang größte Menge an Rauschenberg-Plakaten aufzubereiten, sondern mit Haring und Rauschenberg zwei unter das Pop-Art-Label fallende Künstler parallel auszustellen. Ihr ästhetischer Angang könnte dabei unterschiedlicher kaum sein.
Rauschenbergs neoexpressionistisches und neodadaistisches Programm wird auch auf seinen Künstlerplakaten deutlich: Sie sind gleichzeitig Collagen des Bestimmten und des Zufälligen. Bei manchen Plakaten, etwa dem 1983 entstandenen für „Artists Against Apartheid“, ist die Aussage (eher) leicht zu erkennen: farbige Sportler als Illustration, ein „Power“ als Parole, aber wen stellen die Farbigen auf den eingeklinkten Fotos dar? Bürgerrechtler? Arbeiter?
Für Umweltschutz engagiert
Die Rauschenberg-Poster widmeten sich, wenn sie nicht Ausstellungsankündiger oder politisch sind, kulturellen Belangen wie der Einweihung von neuen Konzerthallen oder den runden Geburtstagen großer Orchester. Sie setzten sich für Künstlerrechte und den Umweltschutz ein oder bewarben Tanzveranstaltungen (Merce Cunningham!). Nachdem der Legastheniker Rauschenberg zunächst seine Bild-Schrift-Kompositionen typografisch als die Seinen auswies, ging er später dazu über, handschriftlich den „Rauschenberg“-Schriftzug auf jene zu setzen – als Markenzeichen eines gefeierten Künstlers, der seine Kreativkraft sehr gerne auch in eine in den USA lange Zeit unterbelichtete Disziplin wie die Plakatkunst steckte.
Seine mit Zeichnungen und durch den Einsatz des Pinsels gepimpten Postercollagen laden wie sein übriges Gesamtwerk zur nie ganz eindeutigen Kunst-Auslegung ein. Sie sind Wimmelbilder der Kultur- und Gesellschaftsgeschichte, auf die sich der Betrachter mit Lust und Dechiffrierehrgeiz stürzt. Die Poster haben nicht unmittelbar plakative Botschaften und changieren in ihrem Deutungsgehalt zwischen abstrakt und konkret. Ohne den Kontext ist vieles nicht zu verstehen. Und es ist das Amerika des vergangenen Jahrhunderts, das Rauschenberg in seinen Künstlerplakaten porträtiert: in mancherlei Hinsicht von heute aus betrachtet ein sehr ferner Ort also.
Robert Rauschenberg: Posters bis 8.10. Museum für Kunst und Gewerbe (U/S Hbf), Steintorplatz 1. Öffnungszeiten Di bis So 10–18 Uhr, Do 10 –21 Uhr, Eintritt 12, ermäßigt 8 Euro, Do ab 17 Uhr 8 Euro, bis 17 Jahre frei