Er sei Visionär und Forscher, meint Chefkritiker Anthony Tommasini
Als Chefkritiker für klassische Musik bei der „New York Times“ hat Anthony Tommasini zahllose von Alan Gilbert dirigierte Konzerte rezensiert. Wir haben ihn um seine Meinung zum neuen Dirigenten des NDR Elbphilharmonie Orchesters gebeten.
Während seiner achtjährigen Amtszeit als Music Director des New York Philharmonic hat sich Alan Gilbert als einer der Visionäre der amerikanischen Orchester erwiesen. Er hat enge Verbindungen zu lebenden Komponisten gefördert, hat sich für zeitgenössische Musik eingesetzt, hat vernachlässigte Repertoire-Nischen erkundet und sich in Outreach- und Education-Projekten engagiert.
In Zusammenarbeit mit Doug Fitch, einem Regisseur und Bildenden Künstler, hat er inspirierte und innovative Produktionen herausfordernder Opern präsentiert, begonnen mit Ligetis „Le Grand Macabre“, einem berauschenden Event. Und er führte das Philharmonic aus dem trostlosen Heimatsaal im Lincoln Center an andere Adressen, um experimentierfreudige Programme in großen und kleinen Spielstätten zu spielen, von der höhlenartigen Park Avenue Armory bis zum intimen Black-Box-Performance-Raum National Sawdust in Brooklyn.
Für manche lassen Gilberts Aufführungen des Kernrepertoires Charakter und Überraschungen vermissen. Meine Meinung ist eine andere. Alan Gilbert ist ein forschender Musiker, der die Struktur und den Fluss eines Werks versteht und zeigt, wie das Stück geht. Und er hat ein Talent für das Entwerfen von Programmen, die alte und neue Werke auf verlockende Art und Weise nebeneinander stellen.