Cannes. Hollywoodstar spricht in Cannes über die Rolle im NSU-Thriller, der Regisseur selbst über Rassismus
Für Schauspielerin Diane Kruger war die Arbeit an Fatih Akins NSU-Drama eine große Herausforderung. „Dies ist eine Rolle, die mich ziemlich verängstigt hat“, sagte die 40-Jährige am Freitag beim Filmfest Cannes. „Fatih hat mich gebeten, ins Unbekannte zu springen.“ Akins „Aus dem Nichts“ erzählt von einer Frau, die bei einem Bombenanschlag durch Neonazis ihre Familie verliert. Kruger spielt die Hauptrolle.
Fast täglich gebe es mittlerweile Nachrichten über Terroranschläge, sagte die Schauspielerin. „Man hört aber nie über die Menschen, die zurückbleiben.“ Sie habe sich gefragt, wie man mit dieser Ungerechtigkeit zurechtkommen könne.
Es ist das erste Mal, dass die im niedersächsischen Hildesheim geborene Kruger auf Deutsch drehte. Bisher war die 40-Jährige häufig in Hollywoodgroßproduktionen wie „Troja“ zu sehen. „Aus dem Nichts“ ist einer von 19 Beiträgen im diesjährigen Cannes-Wettbewerb und feierte am Freitag Premiere. Derweil sprach der deutsche Filmemacher Akin, der in Hamburg als Sohn türkischer Einwanderer geboren wurde und in Ottensen lebt, anlässlich seines Cannes-Auftritts über seine persönliche Betroffenheit, was das Thema „NSU“ angeht. „Ich fand sehr skandalös, dass die Ermittler davon ausgingen, dass die Opfer und ihre Familien irgendwie Dreck am Stecken hatten – einfach aufgrund der Herkunft“, sagte er zu der langjährigen Annahme, dass die NSU-Opfer eine Mitschuld an den Morden trugen. „Das ist Rassismus“, so Akin. Für ihn sei das fast genauso schlimm wie die Ermordung.
„Als jemand mit türkischem, mit ausländischem Hintergrund hatte ich da schon das Gefühl, dass mich das persönlich angeht. Das hätte auch mich treffen können“, sagte Akin weiter. Die Entscheidung, ob Akin einen der begehrten Cannes-Preise (Goldene Palme, Großer Preis der Jury) gewinnt, wird am Sonntag bekannt gegeben. Gesprächsthema in Südfrankreich war auch der mexikanische Erfolgsregisseur Alejandro González Iñárritu („Birdman“). Der Oscar-Preisträger präsentierte den ersten Virtual-Reality-Film, „Carne y Arena“ (etwa: „Fleisch und Sand“), mit dem der Zuschauer die Flucht über die mexikanische Grenze quasi selbst durchlebt. Er dauert nur sieben Minuten, für die Realisierung haben Iñárritu und Kameramann Emmanuel Lubezki jedoch vier Jahre gebraucht. Der Kurzfilm beruht auf Erfahrungen von Menschen, die es geschafft haben, über die Stacheldrahtzäune von Mexiko in die USA zu fliehen. Laut Experten sind seit Mitte der 90er-Jahre mehr als 11.000 Männer, Frauen und Kinder aus Zentralamerika bei dem Versuch gestorben, in Amerika das erhoffte bessere Leben zu finden.