Hamburg. Die sehenswerte Ausstellung „Food Revolution 5.0“ präsentiert bis Oktober im Museum für Kunst und Gewerbe ökologische Visionen.

Das Museum für Kunst und Gewerbe hat schon öfter brisante Themen aufgegriffen und daraus attraktive, lehrreiche Ausstellungen gemacht. Jetzt wurde eine neue große Schau zum einem weltweit existenziellen Thema eröffnet: „Food Revolution 5.0 – Gestaltung für die Gesellschaft von morgen“, die sich komplett ums Thema Essen dreht. Kuratorin ist Claudia Banz, die mit der niederländischen Ausstellungsdesignerin Rianne Makkink zusammengearbeitet hat.

Die Ausstellung

Neben der Nahrungsmittelproduktion geht es auch um Tischkultur, Küchendesign, gesundheitliche, ethische, ökonomische und biologische Aspekte des Essens und vor allem um bereits umsetzbare Alternativen zu Massentierhaltung und bodenzerstörender industriellen Landwirtschaft. Laut Weltagrarbericht sind mittlerweile drei Viertel der 1990 noch vorhandenen Sortenvielfalt verloren gegangen. 75 Prozent aller Lebensmittel stammen von zwölf Pflanzen- und fünf Tierarten. Dank der Unterstützung der Bundeskultur-, der Karin-Stilke- und der Ikea-Stiftung konnten 30 Designerinnen und Designer eingeladen werden, ihre Modelle, Filme, Grafiken oder Züchtungen zu präsentieren. Entstanden ist eine sehr kreative, inhaltlich überzeugende Ausstellung.

Mindestens eineinhalb Stunden Zeit sollten Besucher für die Ausstellung einplanen, denn viel komplexes Wissen wird hier vermittelt und vor allem der Sinn für die großen Zusammenhänge entwickelt. Das geschieht über Infotafeln, Fotos oder Filme, aber eben auch über Grafiken, Schemata oder große, schöne und klare Zeichnungen hinter den Exponaten.

Die interessantesten Projekte

Im Fraunhofer-Institut wurde ein mehrstöckiger Innenraum-Garten entwickelt, in dem auf getränkter Nährstofflösung unter LED-Licht Bio-Salat wächst. Aber am intensivsten haben sich die ausgewählten Designer und Forscher mit der Herstellung eiweißhaltiger Nahrung befasst. Das dänische Architektur-Büro Gottlieb Paludan hat eine Alternative zur aktuellen dänischen Massentierhaltung entwickelt und kombiniert den Bau von Schweineställen mit dem von Gewächshäusern. Die ammoniakhaltige Schweinegülle, die derzeit eines der größten Umweltprobleme in Dänemark verursacht, wird hier für die Herstellung von Biogas genutzt, die erzeugte Energie wärmt die Gewächshäuser, und der Betrieb könnte, weil er unabhängig vom Boden ist, auch in Stadtnähe angesiedelt werden.

Die Österreicherinnen Katharina Unger und Julia Kaisinger haben dagegen eine handliche, demnächst sogar serienreife Insektenfarm ersonnen, in der man essbare Insekten mit hohem Proteingehalt züchten kann – bei geringem Wasser- und Energieverbrauch.

Welche Körpermasse ein ganzes Schwein umfasst, führt die Designerin Andrea Staudacher vor Augen: Während normalerweise nur 30 Prozent des Tieres gegessen werden, vermittelt sie eine sinnliche Erfahrung davon, wie groß und wertvoll ein solches Tier eigentlich ist. Auf gut zwei mal 1,30 Metern ruhen alle in Plexiglas eingeschweißte Schweineteile auf einem kleinen Podest – der Brite Damien Hirst, der einst ein halbes Kalb auf diese Weise konserviert als Kunst präsentierte, lässt grüßen.

Ein Ausblick: die Küche von morgen

Zwei wunderschöne Beispiele für die Küche von morgen seien noch genannt: Werner Aisslinger hat ein einladendes quadratisches Sitzmöbel aus Holz für etwa zehn Personen gebaut, in dessen Mitte sich ein Tisch mit drei Gasflammen befindet. Die uralte Gewohnheit, dass Menschen um das wärmende Feuer sitzen, auf dem sie ihr Essen zubereiten, wurde hier für moderne, geräumige Küchen weiterentwickelt. Hinter den Lehnen ist Platz für Koch-Utensilien.

Ähnlich ursprünglich und ebenfalls in moderner Formensprache designed ist die Freiluftküche des Niederländers Ton Matton. Hier wird Regenwasser zum Gemüsewaschen verwendet und das Essen in einem dicken Kissen aus Stroh gegart. Kuratorin Claudia Banz sagt, das radikale Gegenmodell zur derzeit angesagten smarten Küche sei „die autarke Küche, die auf den Idealen der Nachhaltigkeit und Kreislaufökonomie beruht“. Dazu zähle die Rückbesinnung auf alte handwerkliche Kulturtechniken des Selbermachens ebenso wie „das Begreifen der Küche als sozialer Ort“.

„Food Revolution 5.0“ bis 29.10. Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di–So 10.00–18.00, Do bis 21.00, Eintritt 12,-/8,-