Hannover/Hamburg. Sender zieht sich vor Auftritt der Söhne Mannheims in Hannover von Festival zurück. Altpräsident warnt, Freund Kunze hält dagegen.

In der Debatte um das umstrittene Lied "Marionetten" distanziert sich nach Radio Bremen Vier ein weiterer norddeutscher Radiosender von Xavier Naidoo und seiner Band Söhne Mannheims.

Weil die Musiker beim Plaza-Festival in Hannover auftreten, zieht sich NDR 2 von der Präsentation und moderativen Begleitung des Abends am 26. Mai zurück.

"Einige Textpassagen des Songs 'Marionetten' aus dem neuen Album der Söhne Mannheims passen einfach nicht zu NDR 2. Die Erklärungen der Band hierzu haben uns nicht überzeugt“, sagte Programmchef Torsten Engel am Mittwoch.

Der Sender verzichte auch auf die geplante Moderation. Das von Hannover Concerts veranstaltete Festival war seit 17 Jahren von NDR 2 präsentiert worden.

Kommentar: PR-Profi Xavier Naidoo ist nicht zu helfen

Naidoo ist Mit-Autor des Songs "Marionetten", in dem Politiker massiv beschimpft werden. Unter anderem heißt es: "Teile eures Volks nennen euch schon Hoch- beziehungsweise Volksverräter."

Deshalb sehen sich die Söhne Mannheims dem Vorwurf des Rechtspopulismus ausgesetzt. Anfang der Woche hatte es deswegen ein Krisentreffen zwischen der Stadt Mannheim und der Popband gegeben - Naidoo hatte danach mitgeteilt, dass das Lied zugespitzt und möglicherweise missverständlich sei.

NDR 2 will sich nicht gemein machen

Hannover Concerts bedauerte die Absage von NDR 2 als Präsentator. Der Sänger und die Band hätten sich ausdrücklich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekannt und jeder Art der Gewalt eine Absage erteilt, erklärte der Veranstalter.

Zudem sei "Marionetten" auf der aktuellen Tour bisher nicht gespielt worden. Bremen Vier hatte bereits die Zusammenarbeit mit den Söhnen Mannheims beendet und die Präsentation eines Konzerts abgesagt. Auch einige andere Radiosender haben sich dazu entschieden, das Lied nicht auszustrahlen.

Künstlern stehe es selbstverständlich frei, Songs und Texte ihres Geschmacks zu produzieren und zu veröffentlichen, sagte NDR-Programmchef Engel: "Das gehört zur Freiheit von Künstlern dazu."

Auf der anderen Seite nehme sich NDR 2 aber die Freiheit, sich mit Texten wie "Marionetten" nicht durch eine Präsentation gemein zu machen. Dem NDR-Rückzug in Hannover waren entsprechende Forderungen von Politikern vorausgegangen.

Wie Xavier Naidoo sich aus Kritik herausredet

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    Wulff: Naidoo als Totengräber der Demokratie?

    Derweil nimmt Ex-Bundespräsident Christian Wulff Xavier Naidoo ganz allgemein wegen seiner umstrittenen Liedtexte in die Verantwortung.

    "Er begibt sich in die Nähe von Totengräbern der Demokratie, in die Nähe des Hasses“, kritisierte der 57-Jährige im "Mannheimer Morgen“ (Donnerstag).

    Naidoo verfüge als erfolgreicher Musiker über viel Macht. "Und wer über viel Macht verfügt, der hat auch viel Verantwortung." Dieser werde der Sänger aber so nicht gerecht.

    Kunze: Naidoo ist ein " ziemlicher Wirrkopf"

    Der Sänger Heinz Rudolf Kunze wiederum, ein enger Freund Christian Wulffs, bewertet die Lage indes anders. Er halte den Text keinesfalls für einen Skandal, sagte Kunze den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

    "Ich halte es für den poetischen Ausrutscher eines Songschreibers, der sich aus einer wütenden aggressiven Grundlaune heraus auf dem Papier vergaloppiert hat." So etwas könne leicht passieren.

    Forderungen nach Ausladungen der Söhne Mannheims gehen Kunze zu weit: "Im Zweifelsfall verteidige ich die Freiheit der Kunst", sagte er.

    "Als jemand, der nicht Veranstalter ist und die Sache von außen betrachtet, würde ich sagen: Lasst ihn spielen und lasst ihn mit diesem Material seine Erfahrungen machen."

    Naidoo sei kein "besonders kompetenter politischer Sänger". Er halte ihn "für einen ziemlichen Wirrkopf, aber nicht für einen Neonazi".

    Naidoo spricht von "bewusster Überzeichnung"

    Naidoo selbst hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Einzelne Satzteile seien von den Kritikern aus dem Kontext gerissen worden, schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Bei dem Lied handele es sich um eine "zugespitzte Zustandsbeschreibung gesellschaftlicher Strömungen". Er habe bewusst überzeichnet.

    Der Inhalt möge missverständlich sein, räumte der Sänger ein und fügte hinzu: "Die 'Söhne Mannheims' und ich stehen für eine offene, freiheitliche, liberale und demokratische Gesellschaft, in der viele Kulturen gemeinsam zusammenleben und in der es allen Menschen möglichst gutgeht."

    Kritiker hatten bemängelt, das Werk befeuere Verschwörungstheorien und nehme Bezug auf Theorien der sogenannten "Reichsbürger" und von Rechtspopulisten. In dem Song werden beispielsweise "Volksvertreter" als "Volks-in-die-Fresse-Treter" bezeichnet, die wie Marionetten von "dunklen Mächten" gesteuert würden. "Und wenn ich nur einen in die Finger bekomme, dann zerreiß ich ihn in Fetzen", heißt es weiter.