Hamburg. Alexander Krichel überzeugte mit Etüden von Chopin und Schumann

Etüden, das sind die Stücke, vor denen sich Klavierschüler fürchten. Sie bohren sich tief in einen spieltechnischen Aspekt, bis der Schweiß rinnt und die Ohren klingeln. Hier gilt’s der Fingerkunst, und fertig.

Wie anders bei den Werken, die der Hamburger Shootingstar unter den Pianisten, Alexander Krichel, für seinen Auftritt in der Reihe „Pianomania“ im Kleinen Saal der Elbphilharmonie ausgewählt hat. Die Etüden von Chopin und Schumann gehören nicht zufällig zum satisfaktionsfähigen Konzertrepertoire. Sie sind eben alles andere als seelenlose Turbomechanik. Schon gar nicht so, wie Krichel sie an diesem Abend spielt. Die Zwölf Etüden op. 10 von Chopin, jede von ihnen als Charakterstück weidlich bekannt, geht er so furios an, als wollte er sein jugendliches Alter unterstreichen (er ist Jahrgang 1989). Die rasanten Läufe und Akkorde präsentiert er aber nicht als Virtuosenfutter. Sie gelingen ihm scheinbar mühelos, ein paar Schleiftöne und Unebenheiten in der Ansprache sind rasch vergessen. Dass in der Mittellage manches nicht ganz zu verstehen ist, könnte auch an der Akustik liegen. Ein bisschen straff ist er freilich noch, dieser Chopin, ein bisschen mehr atmen dürfte er, auch ohne in die Nähe des Süßlichen zu geraten, vor dem sich bei diesem Komponisten immer alle fürchten. Krichels Melancholie ist tief empfunden, doch sie hat immer Kern.

Bei Robert Schumanns „Sinfonischen Etüden in Form von Variationen“ nimmt sich Krichel diese Freiheit, ohne dabei je Puls und Metrum zu verraten. Schumanns Stücke greifen musikalisch wie gedanklich ganz anders aus, und der Pianist geht mit. Was für eine Konzen­trationsleistung.

Krichel weiß offenkundig um seine Fans im Saal, jedenfalls gibt er zwei profunde Nummern von seiner neuen Ravel-CD zu und entlässt das beglückte Publikum dann mit einem selbstverfassten Schlafliedchen.