Hamburg. Hans Schernthaners Inszenierung von „Sophia, der Tod und ich“ transportierte die Tragikomik der Vorlage perfekt auf die Bühne
Das ist wie in einem Kitschroman, plärrt eine der Figuren einmal, aber so ist es halt, wenn große Gefühle noch einmal abgeklappert werden müssen, weil ja bald der Schnitter seines Amtes waltet. Der Tod tritt in „Sophia, der Tod und ich“ leibhaftig auf: Er ist ein überraschend vitaler, den sinnlichen Genüssen zugewandter Typ, dem der Schauspieler Joseph Reichelt ein nichts als freundliches Antlitz gibt.
Zu sehen ist im Altonaer Theater, dem bewährten Spielort für barrierefreies Humor-Drama, die Literaturadaption eines Bestsellers. Thees Uhlmanns Existenzialismus-Komödie dreht sich um einen Mann, der leider sterben muss: Der Tod gibt ihm drei Minuten, dann muss jener Anfangsvierziger, der das gesamte Stück über namenlos bleibt, alles Irdische hinter sich lassen. Es werden dann aber erst mal mehr als die tödlichen drei Minuten, weil Sophia in die Szenerie platzt. Wobei „platzen“ sowieso die Maxime ist.
Sophia, die Ex des Helden, ordnet ihre Welt wie auch die Mutter des Helden danach, wie sie diesem tapfer seinen schluffigen Adidasjacken-Mann stehenden Durchschnittstypen am besten einen mitgeben kann. Was dann gleich besonders gemein ist, wenn der Held mit seinem baldigen Ableben konfrontiert und „Carpe diem“ wörtlich zu nehmen ist. Einmal noch die Mutter besuchen, einmal den Sohn treffen, die Bundesligakonferenz hören und viel Bier trinken, weil der vorübergehend generöse Tod die Deadline gestundet hat – klingt vernünftig. Nur leider platzt es aus den ihm nahestehenden Damen eben immer wieder heraus.
Es wird gemäkelt („Seit du sprechen und laufen gelernt hast, passiert bei dir nichts mehr“), und es sind in der Tat mitunter todlustige Sitcom-Dialoge und Verbalpointen, die hier aus den Figuren platzen. Die von Regisseur Hans Schernthaner souverän besorgte Bühnenversion folgt Uhlmanns Roman in seinem selten subtilen, aber nie uncharmanten Duktus genauso wie in der dahinterliegenden Botschaft: Buch und Theaterstück platzen vor Sentiment, Witz und Menschenfreundlichkeit.
Keine Figur ist unsympathisch, wahrscheinlich noch nicht mal der Gegenspieler des Todes, der hier nicht das Leben ist, sondern eine Art „Tod II“, dem Manuel Klein den Anstrich des Parvenüs im Sterbe-Business mit schlechtem Musikgeschmack (Heino!) gibt.
Apropos: Der Soundtrack von „Sophia, der Tod und ich“ ist insgesamt ziemlich gut, auch ohne Uhlmann-Lieder. Das gilt auch für Stephan Möller-Titel, der den Protagonisten als fatalistischen Slacker so auf die Bühne bringt, wie Uhlmann sich das wohl gedacht hat.
Anjorka Strechel überzeugt als hysterisch überdrehte Freundin Sophia, Hannelore Droege als Mutter wie aus dem Klischee-Bilderbuch. Das Bühnenbild stammt von Sonja Zander und wartet mit mehr als einem guten Einfall und Gimmick auf, die Kostümierung (Ricarda Lutz) zitiert die Zwanglosigkeit der 90er-Jahre. Was insofern stimmig ist, als wir es hier mit nicht mehr ganz jungen Menschen zu tun haben, die nicht erwachsen werden wollen. „Sophia, der Tod und ich“ passt perfekt ans Altonaer Theater und ist eine auf Amüsement angelegte Revue über die Unweigerlichkeit der menschlichen Existenz: Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.
Am Ende kommt Uhlmann zum Schlussapplaus mit auf die Bühne. Dieser Schlussapplaus ist freundlich und wohlwollend. Könnte sein, dass „Sophia, der Tod und ich“ demnächst noch ein paar neue Leser findet.
„Sophia, der Tod und ich“ nächste Vorstellungen 3.–6.5., Laufzeit bis 10.6., Altonaer Theater (S Altona), Museumstraße 17, Karten
ab 20,- unter T. 39 90 58 70