Am Montag werden mit den Pro-Arte-Programmen erste Umrisse der Elbphilhar-monie-Spielzeit 2017/18 bekannt. Was könnte, sollte, dürfte außerdem zu hören sein?

Den Satz mit den auf Kämmen blasenden Putzfrauen, die er auf eine Bühne stellen könnte und das Haus wäre voll, den wird Generalintendant Christoph Lieben-Seutter nicht mehr los. Ob es dieses Konzert in der nächsten Saison ­geben wird, ist noch nicht raus. ­Ohnehin ist noch nicht viel raus. ­Zumindest einige Vorboten der zweiten Elbphilharmonie-Spielzeit werden am Montag von der Konzertdirektion Dr. Goette vorgestellt. In den nächsten ­Wochen sollen, nach Veranstalter ­gestaffelt, weitere Infos folgen. Klar ist: Wann immer Karten in die Nähe von Kunden geraten, werden sie in Rekordzeit vergriffen sein. Und wenn man die These vertreten möchte, dass jedes Konzerthaus so gut ist wie sein Management, bleibt es spannend im neuen Symbol für die „Musikstadt Hamburg“.

Im Prinzip wolle er weitermachen wie gehabt, war bislang Lieben-Seutters Antwort, nur ähnlich, und auch mit anderen. Für die Spielzeit 2017/18 böten sich zwei Jubilare an: Bernsteins 100. Geburtstag und der 100. Todestag von Debussy. Geistreiches Entertainment und ­anspruchsvolle Meisterwerke, ein idealer Türöffner in die hier zu unbekannte Musikwelt der USA im 20. Jahrhundert (der Musikverein in Lieben-Seutters alter Heimat Wien hat dazu eine Menge im Angebot ...). Und andererseits virtuose Orchester­literatur aus der Alten Welt, die sich unter anderem Barenboim und die Berliner Staats­kapelle für 2018 vorgenommen haben.

Aus den Erfahrungen der ersten Monate heraus ließe sich vermuten, dass es weitere Klassiker der Moderne zu hören gibt. „Der Saal verlangt nach der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts und das Publikum ist bereit dafür“, sagte Lieben-Seutter gerade den „Kieler Nachrichten“. Na dann. Für Früheres gibt es ja nach wie vor die bestens geeignete Laeiszhalle. Also: ein Wiederhören mit Musik von Messiaen? Da wäre ­Generalmusikdirektor Kent Nagano als Spezialist eine erste Adresse. Dass er mit den Philharmonikern im Frühjahr 2018 mit der 8. Sinfonie von Mahler in Kyoto gastieren soll, die er Ende April in Hamburg dirigieren wird, ist ein Beweis dafür, wie sehr das selbst gemalte Etikett „Musikstadt“ international zu wirken beginnt.Und warum nicht auch eine Hommage an den 2016 verstorbenen Bachpreisträger Pierre Boulez? Und hoffentlich Gratulierendes zum 100. von Bernd Alois Zimmermann, dessen „Photoptosis“ das herausforderndste Stück der Eröffnungs-Galas war.

Eine Stockhausen-Würdigung zum zehnten Todestag im Dezember hätte ihren Charme, seine Orchester-Formate wurden in der Frühphase der Elbphilharmonie gern als Bezugsgrößen genannt. Wie gut Ex-Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher mit der Akustik im Großen Saal klarkommt, bewies er mit den Wiener Philharmonikern. Wenn jemand Stockhausen oder Nono kann, dann er.

Nach dem künstlerisch nicht überzeugenden Beethoven-Zyklus von Gustavo Dudamel wird es so schnell wohl keinen weiteren geben. Brahms, das ­andere dicke B auf der Klassik-Hitliste, ist sehr unwahrscheinlich. NDR-Chef­dirigent Thomas Hengelbrock hatte dessen vier Symphonien ja erst im Mai 2016 absolviert, noch in der Laeiszhalle.

Der Einbau von kleineren oder größeren Festival-Inseln wird fortgesetzt. Wichtiger als dieser kunsthandwerkliche Einfallsreichtum: die Art und Weise, wie sehr und wie klug man die beiden Häuser Elbphilharmonie und Laeiszhalle dramaturgisch miteinander verbindet. Bekannte Namen? Nach der Euphorie der vergangenen Monate sollte die Mundpropaganda der Branche auch den letzten überzeugt haben, hier spielen zu müssen. Anne-Sophie Mutter wäre keine Überraschung, ein Ausnahme-Pianist wie Marc-André ­Hamelin ist überfällig.

Unklar ist, ob die NDR-„Konzerte für Hamburg“ fortgesetzt werden. Denn eine zweite Saison derart beansprucht zu werden, bringt auf Dauer selbst die stärksten Musiker-Naturen ans Leistungslimit. Mit etwas Glück haben es Lieben-Seutter und Andrea Zietzsch­mann, bis Ende dieser Saison noch beim NDR und danach Intendantin der Berliner Philharmoniker, aber geschafft, dieses Orchester für eine Vorstellungsrunde mit dem neuen Chefdirigenten Kirill Petrenko an die Elbe zu lotsen.

Wichtig ist die Verbindung der Hamburger Konzerthäuser

Da Andris Nelsons mit Beginn der nächsten Spielzeit neuer Gewandhauskapellmeister in Leipzig ist, gleichzeitig Chef beim Boston Symphony bleibt und beide Jobs eng verzahnen will, könnte es gut sein, dass er mit beiden Orchestern in Hamburg zu hören sein wird. Und die anderen US-Top-Bands? Franz Welser-Möst, Chefdirigent in Cleveland, ist Österreicher wie Lieben-Seutter; den Rest könnte man sich denken. Das Los Angeles Philharmonic könnte mit seinem Chef Dudamel kommen. Das wäre eine Art Akustik-Heimspiel – der Saal in L.A. ist, wie die Elbphilharmonie, designed by Yasuhisa Toyota. Falls der „Dude“ nicht kann, wäre sein Associate Conductor, die Litauerin ­Mirga Gražinytė-Tyla, eine Alternative. Im Juli ist die heiß Gehandelte mit Birmingham, ihrem anderen Orchester, via Schleswig-Holstein Musik Festival im Großen Saal. Jemand wie sie wäre ein Fall für eine maß­geschneiderte, womöglich saisonübergreifende Residenz, mit der man Stars von morgen präsentieren könnte, kurz bevor die Karriere durch die ­Decke geht und alle sie haben.

Wetten abschließen könnte man auf das Amsterdamer Concertgebouw (schon weil Maris Jansons den Hamburger Saal als Argument in der Münchner Konzertsaal-Debatte so schätzt). Die Münchner Philharmoniker mit Gergiev? Ziemlich ­sicher, keiner reist so rasant umher wie er. Esa-Pekka Salonen, ein weiteres Mal? Nicht unwahrscheinlich. Und wann immer jemand auftaucht, der in den Überlegungen über die Vertragsverlängerungs-Situation von NDR-Chefdirigent Hengelbrock eine Rolle spielen könnte, werden diese Konzerte auch verkappte Casting-Abende sein.