Hamburg. Die Künstlerin veröffentlicht mit „Mermaid Blues“ ihr drittes Album. Und sie ist vor allem eines: eine Seelensucherin.

Sobald Y’Akoto den Raum betritt, ist da diese Energie. Und auch während des Interviews im 25h Hotel in der HafenCity sitzt die 30-Jährige nicht brav still. Mal beugt sie sich engagiert vor, mal legt sie die Beine entspannt aufs Sofa. Sie isst Rührei, trinkt Kaffee, lacht laut, redet sanft, schaut offen und gestikuliert formenreich. Viel hat sie zu erzählen – über „Mermaid Blues“, ihr drittes Album nach „Babyblues“ (2012) und „Moody Blues“ (2014), das an diesem Freitag bei Warner Music erscheint. Den Blues hat sie also immer. Aber nicht auf Altherrenart, sondern quicklebendig, sinnlich, schillernd. So wie die Titelfigur, die Y’Akoto für ihre jüngste Platte auserkoren hat: die Meerjungfrau.

„In Tema, der Hafenstadt in Ghana, in der ich aufgewachsen bin, gab es diesen Mythos, dass die Nixe Mami Wata ans Ufer kommt und auch wieder im Wasser verschwindet. Alle Kinder hatten tierisch Angst vor ihr“, erzählt Y’Akoto. Sie sei die Einzige gewesen, die im Schneidersitz am Strand gesessen und auf diese Fischfrau gewartet habe. Bis heute fasziniert sie die Figur, die einerseits als liebevoll und großzügig gilt, andererseits als unberechenbar und zerstörerisch. So wie das Meer. Und wie Y’Akoto selbst, die sich in ihrem Kunstschaffen ebenfalls als Wesen in zwei Welten versteht. „Zu 50 Prozent schwimme ich im Ozean der Kreativität, der Intuition und Spiellust, mit der anderen Hälfte bin ich am Land der Realität“, sagt sie.

Heldinnen sind stark, auch in ihren Schwächen

Eine emotional Reisende ist Y’Akoto, eine Seelensucherin. „Soul seeking“ lautet ihr Motto beim Songschreiben. Und offenbar forscht sie so lange, bis sie nicht nur ihre eigene innere Landschaft erkundet hat, sondern die menschliche an sich: Ihre Songs klingen im besten Sinne universell, wirken beim ersten Hören bereits vertraut, obwohl sie eine große stilistische Bandbreite von der reduzierten Piano-Ballade über Reggae und Electro-Pop bis hin zu Blues und Soul abdecken. „Ich möchte meine Songs so schreiben, dass der Hörer sie für sich ganz persönlich immer noch weitererzählen kann“, sagt Y’Akoto, Tochter eines Ghanaers und einer Deutschen, über ihren Anspruch.

Die Heldinnen ihrer Songs sind stark, auch in ihren Schwächen. „Frauen setzen sich häufig unter Druck, weil sie meinen, sie dürfen ihre weibliche Stärke nicht ausleben. Willenskraft wird als kompliziert angesehen und Durchsetzungsvermögen als zickig“, erklärt Y’Akoto. Für sie bedeutet „feminin“ jedoch definitiv nicht „verweichlicht und abhängig“.

Komplexe, kriegsgeschüttelte Welt

Jene Lieder, in denen sie von der Liebe singt, handeln etwa von einer spannungsgeladenen Dreiecksbeziehung („Take Him Back“) oder von einem Verführer, dem sie auf Augenhöhe begegnen will („King Of The Dark“). In „Fool Me Once“ erzählt Y’Akoto davon, für den eigenen Herzschmerz mit verantwortlich zu sein. Die Nummer war bereits im Soundtrack zu „Willkommen bei den Hartmanns“ zu hören, dem deutschen Kinohit 2016 zum Thema Flüchtlinge.

Womit das Gespräch schnell auch in unsere Wirklichkeit führt, zum Zustand der Welt. Denn wenn die Meerjungfrau Y’Akoto an Land geht und sich umsieht, kann sie nicht anders, als auf die Geschehnisse zu reagieren. Das hat sie auf ihren vergangenen Alben bereits getan mit Stücken wie „Tamba“ über das Schicksal eines Kindersoldaten oder „Off The Boat“ über das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer. Auf „Mermaid Blues“ findet sich mit „Reception“ eine Nummer, mit der sie für Courage plädiert in unserer komplexen, kriegsgeschüttelten Welt.

Sinnlich, stark, schön, intensiv

Ob nun Politik oder Privates, der stets ganz nah klingende Gesang Y’Akotos transportiert all ihre Themen unmittelbar. So sinnlich, stark, schön, intensiv und verletzlich zu singen ist für die Künstlerin stets auch ein Sich-Entblößen. „Es ist immer eine prekäre Situation, so persönlich zu sein. Es ist ein komischer Moment. Denn über Liebeskummer sprichst du eigentlich nur mit deiner Freundin“, sagt Y’Akoto. „Aber wenn ich die Chance habe, jemandem damit zu helfen, dann stelle ich mich gerne auf die Bühne und singe es genau so, wie ich es meine.“

CD: „Mermaid Blues“ (ab 31.3. erhältlich)
Konzert: Sa 19.8., Stadtpark, Karten: 36,-