Hamburg. In der Hansestadt begann der Siegeszug des englischen Popstars durch Deutschland. Morgen erhält er hier die Goldene Kamera.

Ed Sheeranist erkältet. Er hustet, seine Stimme ist rau, doch Interviews und Auftritte sagt er deshalb nicht ab. Dafür ist der 26 Jahre alte Brite zu sehr Profi. Außerdem redet er gerne über seine Musik. „Das hat mir ganz schön gefehlt, aber es war ganz gut, mal eine Auszeit zu nehmen“, sagt er.

Ein Jahr lang hat er sich von dem Rummel um seine Person erholt. Nachdem er 2011 sein Debütalbum „+“ herausgebracht hatte, war er fast ununterbrochen auf Tournee oder im Studio. 2014 folgten „X“ und die nächsten Konzertreisen durch die ganze Welt. Privat ist er während der einjährigen Pause unter anderem nach Australien und Neuseeland, nach Island und auf die Fidschi-Inseln gereist. Am meisten beeindruckt hat ihn jedoch Ghana.

„Ghana war eine umwerfende Erfahrung“

„Ein paar afrikanische Freunde haben mir Ghana empfohlen. Es war eine umwerfende Erfahrung. Tolle Menschen dort, wundervolle Musik und tolles Essen. Alle Vorurteile, die ich hatte, waren falsch“, sagt er.

Wenn Ed Sheeran erzählt, bekommt seine Stimme etwas Mitreißendes. Er teilt seinem Gegenüber seine Eindrücke so detailliert und mit so einer Begeisterung mit, dass man darüber vergisst, in einer Interviewsituation mit einem der Superstars der Popmusik zu sein. Aber ähnlich wie etwa auch Adele ist Sheeran frei von Allüren. „Viele Leute interessieren sich für mich, weil ich Musiker bin und nicht, weil mich Paparazzi mit ihren Kameras verfolgen. Vor meinem Haus in London tauchen sie nicht auf, und wenn ich zu Hause in Suffolk bin, kann ich mit dem Fahrrad in den Pub fahren. Warum auch nicht?“, sagt er.

Rekorde bei Musik-Streaming-Diensten

Mit seiner Brille, den etwas zerzausten rotblonden Haaren und dem dunklen Hoodie sieht er wie ein ganz normaler junger Mann aus. Er würde auch als Junglehrer oder Schrauber in einem Fahrradladen durchgehen. Doch Ed Sheeran ist zurzeit der König des Pop. Mit seinen beiden aktuellen Singles „Shape Of You“ und „Castle On The Hill“ hat er gerade alle Rekorde bei den Musik-Streaming-Diensten gebrochen. 7,9 Millionen Nutzer wollten an nur einem Tag „Shape Of You“ hören. Bisherige Spitzenreiterin war übrigens Adele mit „Hello“.

Am heutigen Freitag nun erscheint „÷“ („Divide“) sein drittes Album. Aufgenommen hat Sheeran die neuen Songs in Los Angeles, London, in Suffolk und auf der „Queen Elizabeth 2“. „Mein Co-Produzent Benny Blanco hat Flugangst und wir haben überlegt, wie wir ihn nach England bekommen, weil ich das Album nicht in den USA aufnehmen wollte. Wir haben dann auf der ,QE 2‘ ein Studio eingerichtet und sind neun Tage lang von New York nach Southampton gefahren.

Songs handeln vom Erwachsenwerden

Allerdings fand ich die Zeit an Bord nicht besonders inspirierend. Lustig ist auch, dass Benny von Los Angeles nach New York geflogen ist, das dauert ungefähr so lange wie der Flug von New York nach London. Aber vielleicht hat ihm Angst gemacht, dass er die meiste Zeit über die offene See fliegen muss“, erzählt er und grinst dabei in seinen Bart.

Auf dem neuen Album finden sich zwölf neue Songs, vier weitere werden auf einer Deluxe-Version veröffentlicht. „Ich wollte ein positives Album herausbringen. Deshalb handeln die Songs vom Erwachsenwerden, von meiner Heimat, von Freunden und von Liebe“, fasst er die wesentlichen Themen zusammen. „Castle On A Hill“ zum Beispiel ist ein Lied über das Städtchen Framlingham in Suffolk, in dem Sheeran einen Teil seiner Teenager-Zeit verbracht hat, „Supermarket Flower“ handelt von seiner Großmutter, die vor ein paar Monaten gestorben ist, „Perfect Girl“ ist ein Lied, das er für seine Freundin geschrieben hat.

Wie bei Sheeran gewohnt, sind die meisten Lieder von seinem wuchtigen Spiel auf der akustischen Gitarre bestimmt – wie etwa der Opener „Eraser“ oder das schnelle „New Man“. Etwas aus dem Rahmen fällt „Galway Girl“, das mit keltischen Fideln und Flöten arrangiert ist. „Mein Vater ist Ire, und wir haben zu Hause viel irische Musik gehört. Ich bin ein großer Fan von Van Morrison und liebe sein Album ,Irish Heartbeat‘. Außerdem habe ich endlich eine Gruppe gefunden, mit der ich irische Songs aufnehmen konnte.“

Einen Tag nach der Veröffentlichung von „÷“ tritt Ed Sheeran in Hamburg auf – eine Ehrung steht an. Bei der Verleihung der Goldenen Kamera erhält Sheeran eine der begehrten Trophäen. „Ich fühle mich total geehrt, dass ich ausgezeichnet werde. Meine Karriere läuft ja erst seit sechs Jahren“, sagt der Superstar.

Positive Erinnerungen an Hamburg

Mit Hamburg verbindet der passionierte Biertrinker und Katzenliebhaber ohnehin positive Erinnerungen. 2011 beim Reeperbahn Festival gab er im Rahmen der „Warner Music Night“ sein erstes Konzert in Deutschland. Zuvor hatte er bei einem Empfang im East-Hotel für Mitarbeiter der Plattenfirma gespielt und war dabei kurzerhand auf einen Tisch gestiegen, sodass ihn auch jeder sehen und hören konnte. Damals hatte er vier Jahre im sogenannten „toilet circuit“ hinter sich. Gemeint sind damit die Pubs und Bars mit Open-Mic-Veranstaltungen, bei denen Nachwuchssänger für ein paar Biere und ein bisschen Geld auftreten – eine Erfahrung, die ihn mit Adele verbindet.

„Das ist eine harte Schule. Du stehst jeden Abend allein vor Leuten, die deine Musik nicht hören wollen, aber du musst sie für dich gewinnen. Wenn du das ein paar Jahre gemacht hast, weißt du, wie du ein Publikum einfangen kannst, egal, ob es fünf oder 50.000 sind“, erzählt Sheeran. „Heute ist es einfach, denn die Leute, die zu meinen Konzerten kommen, haben dafür bezahlt und wollen mich sehen. Nervöser wäre ich, wenn ich vor zehn Heavy-Metal-Fans auftreten müsste.“

Ed Sheerans
drittes Album
„Divide“ erscheint
heute
Ed Sheerans drittes Album „Divide“ erscheint heute © Atlantic Records UK

Seine Konzerte spielt Sheeran immer allein, ohne Band. Aber er denkt darüber nach, mit anderen Musikern zusammenzuspielen. „Das wird sicher irgendwann passieren. Aber im Moment bin ich noch nicht so weit.“ Was natürlich nicht heißt, dass Ed Sheeran keinen Kontakt zu anderen Musikern hätte – im Gegenteil. Mit James Blunt ist er gut befreundet. Daher rührt auch eine Narbe an Sheerans Wange – auf gewisse Weise. Bei einem feucht-fröhlichen Gelage in Windsor war es Prinzessin Beatrice, Tochter von Prinz Andrew, die im Scherz den vor ihr knieenden James Blunt zum Ritter schlagen wollte. Leider übersah sie den hinter ihr stehenden Sheeran. Der ist seitdem gezeichnet, hat aber eine gute Geschichte mehr auf Lager.

„Goldene Kamera“ Sa 4.3., 20.15 Uhr, ZDF