Hamburg. Papa ante portas: Am Schauspielhaus feierte das Gesellschaftsstück „The Who and the What“ Premiere

Ein Vater, zwei erwach-sene Töchter. Der Vater findet, die Ältere von beiden, Anfang 30, sollte endlich heiraten. Er sucht auf einem Dating-Portal einen Mann für sie. Das mag skurril klingen, kommt uns aber irgendwie vertraut vor. Väter sorgen sich um ihre Töchter und wollen das Beste für sie. Und was das Beste ist, bestimmen sie.

„The Who and the What“, das Stück von US-Autor und Pulitzer-Preisträger Ayad Akhtar, handelt vom Zusammenstoß von Traditionen und dem modernen Leben. Darüber hinaus enthält es sehr viel mehr familiären und gesellschaftspolitischen Brennstoff. Denn es geht um den Islam, die Stellung der Frau im Islam, um Liebe, Vernunft, Pragmatismus, Verbohrtheit und um die allzu menschliche Vorliebe für Widerspruch und Inkonsequenz.

Die Familie in „The Who and the What“, das am Wochenende seine umjubelte deutschsprachige Erstaufführung unter der Regie von Intendantin Karin Beier am Deutschen Schauspielhaus und mit Autor Akhtar im Publikum feierte, ist pakistanischen Ursprungs. Und schon lange in den USA angekommen. Allerdings zeigt sich das in unterschiedlichen Ausprägungen: Die Älteste, Zarina, ist eine Intellektuelle, Harvard-Absolventin und Schriftstellerin. Die Jüngere, Mahwish, hat seit ihrem neunten Lebensjahr einen Freund aus der pakistanischen Community, scheint fröhlich und ein bisschen tussig. Der Vater hat es zum wohlhabenden Taxi-Unternehmer gebracht. Anpassung mag manchmal gut sein, so sein Credo, in den meisten Fällen hilft es aber, sich an pakistanischen Traditionen zu orientieren.

Eli ist modern – und kann deshalb kein Weichei sein

Karin Beier ist es mit ihrem Spielplan erneut gelungen, gesellschaftliche Verwerfungen erhellend und unterhaltsam auf die Bühne zu bringen. Auch Akhtars „Geächtet“, das 2016 am Schauspielhaus herauskam, beschäftigt sich klug und erfrischend mit Fremdsein und Identitätserfahrung. Und Houellebecqs „Unterwerfung“, ein Hit im Programm, findet in Edgar Selges Darstellung eine geniale Meditation über Gott und die Welt und die Islamisierung.

Nun also „The Who and the What“, das seinen Titel vom Buch bezieht, das Zarina über den Propheten Mohammed schreibt. „Wer ist dieser Mann, und was haben wir aus ihm gemacht?“, ist ihr Thema. Sie sieht ihn als unzulänglichen Mann und folgert, dass seine persönlichen Erfahrungen über Jahrhunderte als Vorwand dienten, Frauen zu verstecken und auszulö-schen. Aber bis Vater Afzal von der feministischen Religionsinterpretation seiner Tochter erfährt, vergeht eine Weile. Bevor er sie anbrüllt („Gott hat keine Brüste!“), geraten Zarina, Mahwish und Afzal in Krisen, die die Familie beinahe zerbrechen lassen.

Zunächst hat Afzal auf „muslim­love.com“ eine Kontaktanzeige für Zarina geschaltet. Ohne ihr Wissen natürlich. Afzal ist es auch, der sich mit den Interessenten trifft. Sieben Kandidaten hat er verschmäht, als er Eli begegnet, einem Konvertiten, der einer Moschee vorsteht und eine Suppenküche betreibt. Eli scheint ihm der Richtige für seine Tochter, deren Freund Ryan einen Katholiken, weggebissen hat. Mahwish, die Jüngere, hält der Papa für klüger. Sie will ihren pakistanischen Freund heiraten. Brav bleibt sie Jungfrau. Dass sie dafür Analsex betreiben muss, erfährt der empörte Vater erst spät. Und dass sich Mahwish nach einem anderen verzehrt, auch.

Irgendwie schafft Afzal es, dass Za-rina Elis Ehefrau wird Eli unterstützt Zarinas Buch, Afzal beschafft es sich heimlich und wirft Eli an den Kopf, er sei „gar kein richtiger Moslem“, habe seine Frau nicht im Griff. Zarina ist von nun an für ihn „gestorben“. Happy End trotzdem nicht ausgeschlossen.

An diesem Theaterabend stimmt alles: Das well-made-play erzählt straff eine facettenreiche Geschichte. Regisseurin Beier inszeniert das Stück schnörkellos in karger Dekoration (Bühne: Franz Dittrich). Sie führt ihr starkes Ensemble sicher durch den Text: Ernst Stötzner ist ein großartiger Vater. Beigefarben gekleidet wie ein x-beliebiger Rentner (Kostüme: Marie Roers) changiert sein Spiel zwischen Sturheit und Liebesbekundungen, zwischen Besserwisserei und dem Willen, alles zu richten. Er fühlt sich unverstanden. Eli rät er, Zarina zu „brechen“, aber man erkennt es als hohles Gerede, denn er selbst tut aus Liebe fast alles für seine Tochter.

Stötzner gibt der Figur so viel Far-be, dass man sie ins Herz schließt. Die wie immer großartige Lina Beckmann ist eine Uni-Absolventin, der die Liebe zum Vater im Weg steht. Beckmanns Spiel, eindringlich und an passender Stelle komisch, fordert alle Sympathien für Zarina. Eli ist bei Paul Herwig ein moderner Mann, der seine Frau unterstützt. So einer kann kein Weichei sein. Und Mahwish wird von Josefine Israel brav und aufgekratzt, selbstbewusst und zweifelnd gespielt. Sie ist hin- und hergerissen. Man versteht sie so gut.

Weitere Vorstellungen: 21., 24., 31.1. jeweils 20.00, Karten (10,- bis 49,-): T. 24 87 13