Hamburg . Intendantin Karin Beier feiert Premiere mit Ayad Akhtars „The Who and the What“. Ein Treffen mit dem Dramatiker.

Ayad Akhtar ist erst vor wenigen Stunden aus New York in Hamburg gelandet. Jetzt bestellt er einen Kaffee nach dem anderen. Das Koffein lässt ihn noch schneller denken, während er seine bedächtigen Worte mit schönen, sanften Gesten unterstreicht. Der US-amerikanische Autor mit pakistanischen Wurzeln und (seit 2013) Pulitzer-Preisträger gilt als Theaterautor der Stunde.

Sein Stück „Geächtet“ läuft in Klaus Schumachers schnörkelloser Inszenierung nicht nur am Schauspielhaus, sondern an allen großen deutschsprachigen Bühnen und wurde von „Theater heute“ zum „ausländischen Stück des Jahres 2016“ erkoren. Nun ist er gekommen, um über sein neues Stück „The Who and the What“ zu reden, das in der Regie von Karin Beier am heutigen Sonnabend im Schauspielhaus seine deutsche Erstaufführung erlebt.

Ayas Akhtar ist ein typischer amerikanischer Intellektueller

Ayad Akhtar ist ein typischer amerikanischer Intellektueller, der Ernsthaftigkeit mit Leichtigkeit verbindet. Genauso lesen sich auch seine Stücke. Sie kommen als Well-made-Play daher, in der gut konsumierbaren Form eines gesellschaftlichen Konversationsstücks, bei dem die Akteure häufig auf Sofas in eleganten Wohnungen sitzen, Wein trinken und über ihr angebrochenes Leben diskutieren. Bei Akhtar haben es die Gespräche allerdings in sich.

„Geächtet“ legte die Widersprüche eines überangepassten New Yorker Anwalts – Muslim mit pakistanischen Wurzeln – offen, der für seine Karriere Kultur und Religion leugnet und sich zunehmend selbst verachtet. Verheiratet ist er ausgerechnet mit einer naiven Bewunderin des Islam, die für die Tradition der Fliesenkunst schwärmt. Schon hier scherte sich Akhtar nicht um politische Korrektheiten und unterlief Erwartungen. Auch seine eigene Community stößt er schon mal vor den Kopf. „Es ist nicht mein Job, die Leute gut aussehen zu lassen“, sagt er. „Ziel der Kunst ist es nicht, Werbung für eine Kultur zu machen, sondern Widersprüche aufzudecken, die menschlichen Dimensionen auszuloten.“

Akhtar schildert das Leben einer muslimischen Einwanderfamilie

Auch in seinem neuen Stück „The Who and the What“ biedert sich Akhtar niemandem an. Er schildert das Leben einer muslimischen Einwandererfamilie. Der Vater hat als Taxiunternehmer ein Vermögen gemacht, die Mutter ist an Krebs gestorben, die kluge Tochter Zarina verfolgt eine akademische Karriere, ihre nicht ganz so ambitionierte Schwester heiratet den Jugendfreund, hegt aber eine geheime Sehnsucht nach ihrem Lehrer. Zarina arbeitet an einem Buch über den Islam aus weiblicher Sicht, das die Familie auf eine harte Probe stellen wird. „Es ist ein Stück über den Kampf zwischen einem geistreichen Glauben und einem gedankenlosen“, sagt Akhtar. Und um die Frage, warum dieser ausgerechnet von einer Frau kommt, deren Leben von einem gedankenlosen Glauben geprägt wurde.“

Es geht also um Grenzen der Freiheit, Partnerwahl, romantische Sehnsüchte, aber auch um den Widerstand des Vaters, der in einer arrangierten Ehe sein Glück fand und diese Tradition hochhält. Trotz der Konflikte ist der Umgang in der Familie liebevoll. Wie seine Figuren sucht auch Akhtar im
Dickicht all der Widersprüche seinen Weg zur Religion. „Das Stück ist eine scharfe Kritik des Islam, aber auch eine starke Verteidigung“, sagt er. Die Kleiderordnung ist ebenfalls Thema des Stückes. Der Schleier sei in den 1950er- und 1960er-Jahren kein Thema gewesen, sagt Akhtar. „Ich glaube, dass das Wiederaufkommen mit Trotz und Stolz zu tun hat. Eine Reaktion auf das Gefühl vieler Muslime in westlichen Gesellschaften, nicht dazuzugehören. Der Schleier ist ein politisches Symbol der Verschiedenheit“, sagt Akhtar. Er selbst habe keine Meinung dazu. „Ich empfinde die Degradierung der Frau in der US-Kultur gleichermaßen als zerstörerisch. Die Wahrnehmung des Weiblichen ist so sehr von der Allgegenwart der Pornografie dominiert, dass ich nicht glaube, dass muslimische Frauen da unbedingt schlechter dran sind. Sie sind es natürlich, aber die Schwierigkeiten, die diese Frauen haben, sind nicht so weit weg von denen junger US-Frauen.“

Seine erste Liebe galt der Schauspielerei, es folge die Liebe zum Schreiben

Letztlich geht es bei Akhtar immer um Fragen der Identität. „In den USA wussten wir lange, wer ,wir‘ sind und es gab die Idee, dass wir alle gleich sind. Heute sind wir verwirrt, wenn wir Menschen mit anderen Sprachen und Gebräuchen begegnen. Die USA waren immer ein Widerspruch, mit dem wir klarkamen. Auf einmal kommen wir damit nicht mehr klar.“ Für Akhtar befinden sich die Amerikaner noch immer im Bürgerkrieg.

Seine erste Liebe am Theater galt der Schauspielerei, doch bald fand er im Schreiben seinen ureigenen Ausdruck. „Viele Autoren haben eine starke Inspiration und schreiben dann einen 1000-Seiten-Roman. Ich bin da eher Schubert als Mahler. Ich breche mein Thema in mehrere Teile auf. Jedes Stück liefert eine Facette: den Versuch einer reichen, kontroversen Sicht auf ein muslimisches Leben in den USA.“ Die Widersprüche des Lebens haben sich mit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten eher noch verschärft. „Es wird schlimmer werden, bevor es besser wird“, prophezeit Akh­tar. „Wie ein Prisma beinhaltet Trump jeden Aspekt der Widersprüche von Globalisierung und der Macht der Finanzmärkte. Alles, auch das aktive Bewusstsein wurde zu Geld gemacht.“ Sein Sieg folge damit einer klaren Logik, die der Autor Akhtar sich literarisch erklärt. „Geschichten wollen manchmal ein machtvolles Ende haben, nicht notwendig das richtige Ende“, sagt er. „Trump hat eine erzählerische Wendung gebracht.“

Mit seinem Thema ist Ayad Akhtar noch lange nicht fertig.

„The Who and the What“ Sa 14.1., 20.00, Schauspielhaus, Kirchenallee 39, Karten 15,- bis 69,- unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de