Hamburg. Das Haus am Klosterwall erinnert zum 200-jährigen Bestehen in diesem Jahr an die Gründungsväter und die bewegte Geschichte.

Es war ein kleiner Kreis angesehener Hamburger Bürger, die sich im Winter 1817 im Haus von Oberstleutnant David Christopher Mettlerkamp trafen, um Zeichnungen und Kupferstiche zu betrachten und sich darüber auszutauschen. Mettlerkamp war maßgeblich an der Befreiung Hamburgs von den Franzosen beteiligt gewesen, und er war ein Mann mit Weitblick. Wie rückständig damals die Kaufmannsstadt Hamburg in Sachen Kunst im Städtevergleich war, war ihm und seinen Mitstreitern schmerzlich bewusst. Und sicher auch, dass Kunst ein Bollwerk gegen die Barbarei des Krieges sein konnte.

Der Kunstverein hat knapp 1900 Mitglieder

Er lud also weiter zu sich ein, bis es zu voll wurde und der Kunsthändler Georg E. Harzen einen größeren Raum in seinem Geschäft anbot. Das war 1822. Der Kreis war auf 19 Männer angewachsen, Frauen waren noch ausgeschlossen. Zu den kunstsinnigen Männern der ersten Stunde zählten einige hanseatische Berühmtheiten: Peter Röding, Karl Sieveking, Nicolaus Hudtwalcker, Johann Martin Lappenberg oder der Architekt Alexis de Chateauneuf. Beharrlichen Kunstfreunden wie diesen, die sich nicht entmutigen ließen, ist es zu verdanken, dass der älteste Kunstverein nun tatsächlich in Hamburg liegt. In diesem Jahr wird er 200 Jahre alt.

Mit Bettina Steinbrügge kam erst 2014 zum ersten Mal in der Geschichte der Institution eine Frau auf den Leitungsposten, auch dieser alte Zopf ist also endlich, wenn auch sehr spät, abgeschnitten worden.

Bettina Steinbrügge
Bettina Steinbrügge © Pressebild.de/Bertold Fabricius

Mit ihr ist das Programm der vergangenen Jahrzehnte nicht etwa geschmeidiger oder populärer geworden, im Gegenteil: Steinbrügge macht intellektuell sehr anspruchsvolle, komplexe, kritische Ausstellungen. Sie will „Künstlern, die politisch agieren, den Rahmen geben, etwas Neues auszuprobieren. Es braucht nämlich Orte, wo das Elitäre hochgehalten wird“. Orte wie den Kunstverein. Orte, deren Arbeit noch nicht vorwiegend an Besucherzahlen gemessen wird. Knapp 1900 Mitglieder hat der Verein aktuell. Nicht wenig, bedenkt man, dass Deichtorhallen und Galerie der Gegenwart als mächtige Konkurrenz agieren. Nichtmitglieder sind natürlich ebenfalls willkommen.

Exklusiver Club aus Großbürgern und Adeligen

Anfangs war der Verein eher ein exklusiver Club aus Großbürgern und Adeligen, später kamen im größeren Stil die Industriellen hinzu, dann folgte das Bildungsbürgertum, heute bilden Schüler, Studierende, Künstler, Sammler und Firmen eine wichtige Gruppe. Sie zahlen 50 Euro Jahresbeitrag, haben kostenfreien Zutritt zu den Veranstaltungen und allen deutschen Kunstvereinen und bekommen die Möglichkeit, exklusiv zu günstigen Preisen Kunstwerke, sogenannte Jahresgaben, zu erwerben.

Einzelne Ausstellungen oder Personen aus den 200 Jahren herauszugreifen ist hier vergebliche Liebesmüh. Aber die großen Linien aufzuzeigen macht durchaus Sinn. Anfangs ging es eher um einen privaten Austausch über Kunst. Die meisten Männer der ersten Stunde waren Mitglieder der Patriotischen Gesellschaft, die ja nicht nur Handwerk und Industrie fördern wollte, sondern auch die Kunst. Schon vor Gründung des Vereins hatte sich eine Gruppe pa­triotischer Kunstfreunde abgemüht. In einer zeitgenössischen Publikation heißt es, dass „infolge des undankbaren Kaltsinns und der phlegmatischen Gleichgültigkeit der Hamburger Künstler und der sogenannten Kunstfreunde der Zirkel aufgeflogen“ war. Im Geiste der Aufklärung wurde dann an seiner Stelle der Verein gegründet.

Kunst von außerhalb wurde bekannt gemacht

Mitte des 19. Jahrhunderts etablierte er an wechselnden Orten regelmäßige Ausstellungen, denn es gab damals ja noch keine Kunsthalle. Sie dienten der Bildung, mehr und mehr aber auch dem Verkauf von Werken lokaler Künstler, deren Qualität und „Geschmacksniveau“ allerdings überwacht wurde.

Der Kunstverein machte also Kunst von außerhalb bekannt und förderte junge Künstler aus der Heimat. Im Jahr 1848 waren von den 467 Mitgliedern immerhin 30 Frauen. Wenig später richtete man ein „Lesezimmer“ ein, wo internationale (Kunst-)Zeitschriften auslagen. Über die Jahre entstand so eine Kunstbibliothek, die später in die 1869 eröffnete Kunsthalle überging. Um die Jahrhundertwende übergab der Kunstverein dem jungen Museum auch einige sehr bedeutende Gemälde, darunter die berühmte „Ansicht des Eismeeres“ von Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runges „Hülsenbeck’sche Kinder“.

Tiefe Löcher rissen die beiden Weltkriege

Tiefe Löcher rissen die beiden Weltkriege, besonders der zweite. Unterstützt durch die Künstlervereinigung „Hamburgische Sezession“ wuchs der Kunstverein dennoch von 1917 an erst mal zu großer Blüte: Die Kunsthistorikerin Rosa Schapire förderte eine Ausstellung französischer Malerei, man präsentierte außerdem das Werk von Corinth, Liebermann, Klee, Nolde, van Gogh und anderen. Von 1930 an erweiterte Hildebrand Gurlitt den Kunstbegriff, indem er Architektur, Fotografie, Bühnenbild und Weitereres präsentierte. Aus politischen Gründen kündigte er nach drei Jahren, danach versuchte man nur noch sporadisch das Machbare.

Warhol Andy, 24.10.-6.12.1987
Warhol Andy, 24.10.-6.12.1987 © Kunstverein | Kunstverein

Nach 1945 ging es dann verhältnismäßig steil bergauf, man holte nach, was verfemt gewesen war, zeigte Picasso, Chagall, Kokoschka, dann Henry Moore und Andy Warhol.

Der Verein hatte durch staatliche Zuschüsse größere Spielräume und zeitweise mehr als 4000 Mitglieder. Es begann eine Phase der Politisierung, die mehr oder weniger bis heute fortläuft. Der spätere Kunsthallendirektor Uwe M. Schneede präsentierte hier realistische und politische Kunst der DDR. Joseph Beuys wurde gezeigt, mit vielen Künstlern fand 1985 eine Friedens-Biennale statt, und in manchen Ausstellungen durfte man rutschen oder kriechen.

Bis heute ist der Kunstverein ein Ort der kritischen Auseinandersetzung geblieben. Und ein Erlebnis-Raum für alle.