Hamburg. Die Hamburger Rapper begeisterten in der Sporthalle 7000 Fans. Heute folgt das zweite ausverkaufte Konzert
„Habt ihr Interesse an Rap und fette Bässe?“, rufen Eizi Eiz und Denyo am Sonnabend in die brodelnde Meute in der seit Monaten ausverkauften Sporthalle Hamburg. 7000 Fans der Beginner machen ihr Interesse deutlich, und DJ Mad, meterhoch über seinen beiden Kollegen thronend, schickt die Bässe los, ähnlich wie ein antiker Feldherr seine Kavallerie. Du weißt, dass du die Schlacht schon gewonnen hast, jetzt dürfen die Reiter den Rest aufmoppen. Dröhnend walzen die Frequenzen über die Köpfe, und man wundert sich, dass die breite Auswahl an Baseballkappen im Publikum nicht von den Köpfen gerissen und wie Herbstlaub umhergewirbelt wird.
„Rap & fette Bässe“ vom neuen Beginner-Album „Advanced Chemistry“ ist erst das vierte Lied an diesem ersten von zwei Konzertabenden in der Winterhuder Leibesübungsbutze. Aber längst ist klar, dass dieser Abend „flashen“ wird, wie Eizi Eiz, als Solokünstler auch als Jan Delay bekannt, sagen würde. Mit „Ahnma“, „Hammerhart“ und „Wer bistn du?“ gibt es gleich zum Auftakt Hits der „Hitswieamfließ-Band“, und die Handicaps der Sporthalle von den Schlangen am Bierstand über das von zahlreichen Kiffern ignorierte Rauchverbot bis zur mäßigen Akustik treten in den Hintergrund. „Seit vier Wochen sind wir auf Tour und haben uns nur auf diesen Tag gefreut“, sagt Denyo, und die „Hamburg Ciddie“ tanzt glücklich zu „Gustav Gans“.
Die Beginner sind mittlerweile Pop und kein Underground
Ach ja, „Gustav Gans“. 2003 setzte dieser Song über das Glücklichsein an sich ein Gegengewicht zum tradierten Böse-Jungs-Gereime der Konkurrenz auf die Goldwaage des deutschen Hip-Hops. Der Videoclip mit Denyo, Eizi und Mad in flauschigen Tierkostümen unterstrich die Botschaft noch. Auch in der Sporthalle eiern ein Riesenküken und ein Teddy um das Trio und zwei Tänzerinnen, später wird das Plüschgetier sogar auf Händen durch die Menge getragen. Das ist so grotesk wie lustig. Man kann sich förmlich die Gesichter der „echten“ und „harten“ Hip-Hop-Anhänger vorstellen, die jeden neuen „Straßenrapper“ abfeiern, der zwischen den Glitzerflatterbändern eines Gebrauchtwagenhändlers drei Reime geradebiegen kann und für die die Beginner belangloser Mainstream sind. Ja, die Beginner sind mittlerweile Pop und kein Underground, aber zumindest die 7000 Besucher in der Sporthalle feiern lieber eine Party mit „Meine Posse“, mit Denyo, Eizi, Mad und Gastrapper Samy Deluxe, als eine Party, bei der man erfährt, was der Künstler auf der Bühne mit der Mutter eines anderen Künstlers vorhat – vor einem besseren Kindergarten als Publikum, wohlgemerkt.
Zwei Stunden lang reiht sich Höhepunkt an Höhepunkt, die Stimmung ist bis auf den letzten Sitzplatz in der hintersten Ecke ausgelassen. Natürlich wird weniger gehüpft als in den 90er-Jahren, wie DJ Mad bereits vor einigen Monaten im Abendblatt-Interview anmerkte. Der Großteil der Besucher hat die 30 überschritten, kennt aber auch viele Jahre nach den Alben „Bambule“ (1998) und „Blast Action Heros“ (2003) noch die Texte von „Fäule“ oder „Füchse“. 13 Jahre, in denen sich Eizi, Denyo und Mad bis auf einige Festival-Gigs auf Soloprojekte konzentrierten, sind wie weggefegt. Es ist, als wäre das sagenumwobene „Flash“-Festival 2000 im Millerntor-Stadion mit Deichkind, Eins Zwo, Fettes Brot, Fünf Sterne Deluxe, Dynamite Deluxe und (Absolute) Beginner erst gestern gewesen.
Und da auch Torch von den Heidelberger Rap-Urvätern (und Albumtitel-Namensgeber) Advanced Chemistry, Afrob und Samy Deluxe zu den Beginnern auf die Bühne stoßen, hat das Konzert etwas von einer nostalgischen Sause mit alten Kumpels. Nostalgie ist ja nicht nur im Rock ein Faktor, Fettes Brot spielte kürzlich im Mehr! Theater nur Lieder aus den 90ern, und ein aktueller Track der Beginner heißt „Es war einmal“: „Die Chemie stimmte, wir gründeten ’ne Band, mit ’m Tapedeck, ’n Zettel und ’n Stift und Talent.“ Durch diese Chemie entstanden einst „Rock On“, „Mikro in der Hand“ und „Liebes Lied“ und kürzlich die Abrissbirne „Rambo No. 5“. Zumindest auf Kommando wird dazu sogar gehüpft, auch wenn die morschen Knochen mancher 90er-Jahre-Hip-Hop-Fans dabei sicher knirschen und zittern wie das Beat-geplagte Gebälk der Sporthalle. Und die Jungs auf der Bühne sehen die Freude.
Heute spielen die Beginner noch mal in der ausverkauften Sporthalle, im März geht es weiter durch die Republik von Kiel bis Köln. „Nach Hause“ wird dort die Abende beschließen. „Ich brauch die Alster, brauch die Elbe, brauch die Seeleute. Denn ohne Wasser bin ich nichts wie ’n Teebeutel.“ Und Hamburg ohne die Beginner wäre wie Wasser ohne Teebeutel und einen Schuss Rum (für den Geschmack). Ein wenig klarer, aber auch ein bisschen fad.