Hamburg. Das frühere Wunderkind brilliert mit Klassik und knackigen Riffs auf der Stradivari. Garrett bewies: Er ist das Gegenteil einer Diva.

Zu Beginn gibt es Feuerwerk und am Ende auch. Naheliegend, wenn das aktuelle Album „Explosive“ heißt. David Garrett trägt bei seinem Konzert in der ausverkauften Barclaycard-Arena ein T-Shirt mit demselben Schriftzug und macht so etwas Werbung für all die Fan-Artikel, die draußen im Umlauf der Arena am Merchandising-Stand reißenden Absatz finden.

Eine Woge von Zuneigung und Ergriffenheit

Garrett, Jahrgang 1980, wird von seinen Fans geliebt. Für sein virtuoses Spiel auf der Geige ebenso wie für sein attraktives Äußeres und seinen Charme. Familien mit Kindern, junge Mädchen, ältere Freundinnen und Paare jeden Alters sitzen in der Arena, befolgen jede Anweisung des Künstlers, schwenken bei Balladen ihre leuchtenden Handys, lassen die Mobilgeräte bei „Killing In The Name Of“ blitzen und klatschen sich die Hände wund, wenn ihr Idol das vormacht. Garrett hat sein Publikum im Griff, und es trägt ihn auf einer Woge von Zuneigung und Ergriffenheit.

Die technischen Fähigkeiten des früheren Klassik-Wunderkindes sind beeindruckend, bei einem Stück mit dem treffenden Titel „Furious“ laufen auf einer Leinwand die Noten mit, während Garrett mit flinken Fingern über das Griffbrett seiner Stradivari fegt. Doch die Zurschaustellung seines Könnens ist nur ein Aspekt in dieser Show.

Das Orchester trägt zur Wucht bei

Der Geiger möchte mit dem aktuellen Programm keine Stücke wie in der Klassik ausloten, er möchte unterhalten. Dafür hat er ein neues Programm aus eigenen Kompositionen und Bearbeitungen bekannter Songs zusammengestellt, von denen die Mehrzahl jedem Musikfreund bekannt sein dürfte – sei es nun ein Satz aus Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, der griechische Sirtaki „Zorba’s Dance“ oder Popsongs wie „Purple Rain“ von Prince oder „Live And Let Die“ von Paul McCartney.

Garrett und seine Rockband agieren auf einer Bühne, die mitten in der Barclaycard-Arena aufgebaut ist und deren obere Scheibe sich dreht, so dass jeder in der Halle die Musiker frontal sehen kann. Ein Orchester trägt zusätzlich zur Wucht und zur Klangvielfalt bei, es sitzt auf Höhe des Parketts.

Bei zwei Nummern verlässt Garrett das an einen Thron erinnernde Podest und läuft durch den Zuschauerraum, Hände kann er nicht schütteln, weil er ja Geige spielt, doch die Handys seiner Fans sind bereit, um ihn aus der Nähe zu fotografieren und eine Erinnerung mit nach Hause zu nehmen.

Starke Momente bei knackigen Rocksongs

Garrett ist das Gegenteil einer Diva, was sich in seinen ausführlichen Moderationen zeigt. Er erklärt seinem Publikum, wer der Swing-Gitarrist Django Reinhardt war, um anschließend mit Vaya Con Dios’ „Nah Neh Nah“ zu brillieren, erzählt von der Liebe seiner Mutter zum Walzer und den Songschreiberambitionen seiner Schwester, deren Song „Marathon“ er zusammen mit der Sängerin Edita spielt.

Starke Momente hat der zweieinhalbstündige Auftritt von David Garrett auch dann, wenn er Rocksongs arrangiert, die auf knackigen Riffs basieren wie Led Zeppelins „Kashmir“ oder Stevie Wonders „Superstition“; auch „Lose Yourself“ von Rapper Eminem und „They Don’t Care About Us“ von Michael Jackson funktionieren erstklassig.

Dann denkt man daran, dass es auch in der Rockmusik außergewöhnliche Violinisten wie Jerry Goodman oder David LaFlamme gegeben hat. Vielleicht wagt David Garrett mal den Sprung aus dem Mainstream in den Progressive Rock. Könnte ein spannendes Projekt werden.