Hamburg. Teils hinreißend, teils zu bieder: das Bundesjugendballett im Ernst Deutsch Theater
Es ist das Privileg, ja sogar die Aufgabe der Jugend, sich gegen die Altvorderen abzuheben. Neues zu wagen, Unbekanntes zu entdecken. Beim ersten Teil des aktuellen Doppelprogramms „Aufschwung VIII“ des Bundesjugendballetts, der Nachwuchskompanie von John Neumeiers Hamburgballett, gelingt das bedingt. Es beginnt im Ernst Deutsch Theater mit „John’s Dream“, dem ein entsetzlich salbungsvoller Text aus dem Off vorangestellt wird, wie Neumeiers Traum von einer Jugendkompanie aussieht. Er ist ja längst Realität – zudem aktuell sehr üppig mit 2,8 Millionen Euro (für vier Spielzeiten) aus Bundesmitteln gefördert. Eine Summe, von der Choreografen der Freien Szene nur träumen.
Wenn sich die Nachwuchstalente von dem klassischen Ballettmaterial entfernen, gelingen die besten Momente, etwa in „Tangos“ zur Musik von Carlos Gardel, einer launigen Bodenchoreografie für drei Tänzerinnen. Oder in der amüsanten Paul-Hess-Choreografie „Totilas – Der Ritt“. Der Tänzer Tilman Patzak vollzieht akkurate Trab-, Galopp-und Pirouetten-Bewegungen – inklusive Stolperer, die dem Hengst seinerzeit den Auftritt vermasselten. Eine tolle Grenzüberschreitung. Ganz wunderbar auch das Solo „Äffi“ von Marco Goecke. Der Tänzer Joel Paulin begeistert im zackig ausgeführten Zehn-Minuten-Solo zwischen Cowboy und Kung-Fu-Kämpfer zu bewegenden Johnny-Cash-Songs.
Elegisch geht es nach der Pause weiter mit „Verklärte Nacht“ von Wubkje Kuindersma. Die hinreißende Teresa Silva Dias bildet mit Kristian Lever und Ricardo Urbina Reyes, später erweitert um Tilman Patzak eine Menage-à-quatre, in der Anziehung, Hingabe und Rivalität expressiv nach allen Seiten durchdekliniert werden. Andere Choreografien fallen dagegen ab. Zu elegisch. Zu bieder. „Mehr Mut!“, „Mehr Wagnis!“ möchte man ihnen zurufen.