Wer sich von der Ostküste dem Landesinneren nähert, also aus liberalen Gefilden in das sogenannte „Heartland“ kommt, den Mittleren Westen der USA, der kann sich, die entsprechende Gesinnung vorausgesetzt, sehr einsam vorkommen. Dort schaut man den Amerikanern aufs Maul, die man in den Medien sonst wenig wahrnimmt, außer es stehen halt gerade Wahlen an. Trump konnte zum für mindestens 40 Prozent der Amerikaner wählbaren Kandidaten werden, weil seine Wut und seine Rage sich mit der von viel mehr Amerikanern deckt, als man glauben mag.

„Allein unter Amerikanern“ also: Der Titel von Tuvia Tenenboms neuem Buch könnte treffender nicht sein. Allerdings ist Tenenboms dritter Erkundungstrip (nach „Allein unter Deutschen“ und „Allein unter Juden“) ausdrücklich keine Entdeckungsreise ins Trump-Reich, es ist viel grundsätzlicher eine Tournee durch ein Land voller innerer Widersprüche. Was letztlich aber doch dasselbe sein könnte.

Amerika, das Land, das er liebt, ist für Tenenbom, 1957 in Israel geboren und seit 1981 hauptsächlich in New York City wohnhaft, natürlich ein gefundenes Fressen. Tenenbom ist ein Moralist, der in Sachen Humanität das überaus faire Ziel verfolgt, die auf Egoismus und Aufwertungssehnsüchte gegründeten Sichtweisen der Menschen offenzulegen. Wie überall sonst auch geht es da um Heuchelei, gesellschaftliche Grabenkämpfe, Lobbyismus.

Tenenbom wird manchmal vorgeworfen, seine Vorgehensweise sei unfair: Weil er sich oft als jemand anderes ausgibt als der, der er ist. Und so, nur so!, kriegt der leutselige Tenenbom, der vor wenig Angst hat und beispielsweise auch in die unendlich abgeschlagenen größtenteils afroamerikanisch bewohnten Gettos geht, ehrliche Antworten.

Eine seiner schmerzhaften Haupteigenschaften ist das Interesse am Antisemitismus oder dem Nahost-Fetischismus, und er findet beide, durchaus überraschend, in seiner Wahlheimat genauso wie in den Palästinensergebieten oder in Deutschland. Schusswaffen, Political Correctness, Rassismus – die Themen sind erwartbar, aber bei Tenenbom auf genau die Weise aufgespießt, die unglaublich lustig, unterhaltsam, aufklärerisch und manchmal böse ist.

Humorunbegabte und Amerikafans dürften sich über ein Buch wie dieses ärgern, aber hey: Manchmal tut es weh, in den Spiegel zu blicken. „Allein unter Amerikanern“ ist ein literarischer Roadtrip, der die Konfliktlinien offenlegt. ­Jedes Land hat seine Lügen.