Wer nach dem gelungenen Kieler „Tatort“ am Sonntag nicht schnell genug den Stecker zog, wurde Zeuge eines gespenstischen Auftritts. Nun haben die Talk-Runden bei Anne Will schon viele irrlichternde Gestalten ins Scheinwerferlicht gerückt, der Auftritt der vollverschleierten Konvertitin Nora Illi aber stellte vieles bis dato Gesehene in den Schatten. Da sprach nicht nur eine religiöse Fanatikerin, da durfte eine Propagandistin predigen. Und die bestenfalls freundliche Moderatorin wurde zur Stichwortgeberin für einen denk-, aber nicht wiederholungswürdigen Gesprächsabend. Nora Illi, eingeladen als „Frauenbeauftragte im Islamischen Zentralrat der Schweiz“ präsentierte die Flucht unter den Niqab gleich als Akt der Befreiung. Die Ausreise in den „heiligen Krieg“ hält die muslimische Sektiererin für Zivilcourage, er sei aber eine „bitterharte Langzeitprüfung“. Wie bitte?

Einmal mehr stellt sich die Frage, ob Talkshows zur Lösung eines Problems beitragen können – oder eher Teil des Problems sind. Zum Versuchsaufbau dieser Quasselrunden gehört das Radikale: Sie verschaffen Zuspitzern eine Bühne und sorgen für Quote, sie verwandeln jede Debatte in einen Streit. Am Ende höhlen sie die Mitte aus und stärken die Ränder. Nun durften sich Extremisten über kostenlose TV-Sendezeit freuen, Islamgegner sich in ihren Vorurteilen bestätigt sehen. Der klügste Satz in der Sendung kam vom Islamismus-Experten Ahmad Mansour: „Das kann man im öffentlichen Fernsehen nicht machen.“