Hamburg. Das Hansa Varieté Theater in St. Georg eröffnet seine neunte Spielzeit mit einer verblüffenden Show und tollen Artisten.

Als Gerburg Jahnke zur Premierenfeier ins Restaurant „Cox“ in der Langen Reihe kommt, wird sie mit lautem Beifall begrüßt. Als erste Conférencieuse überhaupt hat sie die 9. Spielzeit im Hansa Theater eröffnet und mit ihrem schnodderigen Ruhrpott-Charme und ihren pointenreichen Moderationen Treffer auf Treffer gesetzt.

Das Premierenpublikum ist sich einig: Mit dieser Gastgeberin verdoppelt sich der Spaß des ohnehin unterhaltsamen Programms. Männer mit ihren Unzulänglichkeiten, weibliche Problemzonen und die Unmöglichkeit, während eines Gala-Auftritts an einen Gin Tonic zu kommen, sind die Themen, mit denen sie auf die folgenden Artistiknummern hinführt. Lässig parliert sie, schäkert mit dem Pianisten – selbstironisch, manchmal feministisch und immer auf den Punkt.

Lindenberg-Doubles machen Werbung für Musical

Es war ein kluger Schachzug von Thomas Collien und Ulrich Waller, Gerburg Jahnke für die Premieren-Gala zu engagieren. Die beiden Theaterleute, sonst Hausherren im St. Pauli Theater, sorgen für die ersten Lacher des Abends, als sie mit Hüten, Sonnenbrillen und Uniformjacke auf die Bühne kommen und als Lindenberg-Doubles Werbung in eigener Sache für das Musical „Hinterm Horizont“ machen. Der Original-Udo schaut ihnen mit seiner Entourage aus Loge 8 zu. An Prominenz herrscht im Publikum nie Mangel, wenn die Saison im Hansa-Theater beginnt. Uwe Seeler und Gerhard Delling amüsieren sich in dem plüschigen Ambiente genauso wie Esther Ofarim, Volker Lechtenbrink und Christian Redl.

Die Shows in dem 1894 eröffneten Theater am Steindamm sind pure Nostalgie. Hier musiziert noch eine richtige Band, hier zeigen Artisten ihre Kunst ohne digitale Hilfe. Hautnah erlebt das Publikum jede Nummer und staunt und lacht genauso wie vor 100 Jahren, als hier Artisten wie Entfesselungskünstler Houdini, Komiker W. C. Fields oder Bananentänzerin Josephine Baker auf der Bühne standen.

Die ersten „Ooohs“ und „Aaahs“ sind bei der aktuellen Show zu hören, als Svetlana Belova sich auf einer runden Scheibe verbiegt. Die junge Ukra­inerin ist eine sogenannte Kontorsionistin, im Zirkus auch Schlangenmensch genannt. Sie kann ihre Gliedmaßen biegen und verrenken, als würden Arme und Beine ein Eigenleben führen. Wenn sie wollte, könnte sie sich mit den Füßen unter den Achseln kratzen. Ungläubiges Staunen weckt auch das Duo Aliens aus Russland. Wann hat man jemals einen einarmigen Handstand auf dem Kopf eines Partners gesehen? Viacheslav Spirin und Stanislav Kotelnikov beherrschen diese und noch ein paar andere Figuren, bei denen man glaubt, die Gesetze der Schwerkraft seien ausgehebelt.

Stargäste bei der Premiere

Jeder der Künstler möchte seine Nummer perfekt präsentieren. Doch auch Scheitern gehört dazu – das allerdings auf höchstem Niveau. Der französische Artist Julien Posada probiert einen Salto rückwärts auf einem hauchdünnen Seil. Er muss vom Gerät, und versucht es wieder. Neuer Anlauf, wieder klappt es nicht. Das Publikum hält den Atem an. Versuch drei misslingt, vier auch. Beim fünften Mal gelingt die extrem schwierige Übung, befreiender Applaus folgt. Auch Francois Rochais versucht das eigentlich Unmögliche. Die ehemalige Weltmeisterin im Jonglieren schleudert zum Abschluss ihrer glänzenden Nummer sechs Keulen in die Luft. Mit Eleganz und Rhythmusgefühl jongliert sie auch mit Schirmen, Tennisschlägern und Bällen. Mit dieser virtuosen Nummer tritt Rochais in die Fußstapfen des legendären Enrico Rastelli – er begeisterte Anfang des 20. Jahrhunderts das Publikum im Hansa-Theater.

Zu einer ordentlichen Gala gehören auch Stargäste – nicht nur im Publikum, auch auf der Bühne. Schon vor der Pause zieht Kabarettist Matthias Deutschmann über Beckenbauers Unterschriften-Demenz her und beleuchtet satirisch aktuelle Politik. Nach der Pause steht dort eine Ikone des deutschen Schlagers, nicht ganz so wortgewaltig, aber wohlwollend gefeiert. Marianne Rosenberg beginnt ihren Auftritt mit „Marleen“, aber sehr schnell wird ihr größter Hit „Er gehört zu mir“ gefordert. Den gibt’s natürlich auch.

Bis zum 26. Februar läuft die Varieté-Show im Hansa Theater noch, allerdings nicht mit Gerburg Jahnke, die nur für die Premiere engagiert war. Doch auch die anderen Conferenciers sind erstklassige Unterhalter. Ein Dutzend Sänger, Schauspieler und Kabarettisten werden in den kommenden Wochen durch die Abende führen, darunter Ulrich Tukur, Stefan Gwildis, Horst Schroth und Robert Kreis. Qualität ist also garantiert.

Hansa Varieté Theater täglich außer Mo,
20 Uhr; Sa 16 und 20 Uhr; So, 15 und 19 Uhr; Karten von 31,90 bis 71,90 plus Gebühren in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18–32 und unter der Abendblatt-Hotline T. 30 30 98 98; exklusive Abendblatt-Termine am 5.11. und 26.12., Karten 75,- und 65,-; www.hansa-theater.de