Hamburg. Die Hamburger Gründerin Verena Pausder wurde bei der Medienkonferenz Scoopcamp mit dem Scoop Award 2016 ausgezeichnet

Die Idee klingt schräg. Pädagogisch auf den ersten Blick gar nicht wertvoll. Apps für ein- bis sechsjährige Kinder. Die Vorstellung, dem Nachwuchs bereits in diesem Alter ein Tablet in die Hand zu drücken, ruft bei vielen Eltern Naserümpfen hervor. Sollten die nicht lieber im Wald Kastanien sammeln? Kartoffeldruckbilder komponieren und das Sandmännchen und Kollegen aus den entsprechenden Büchern kennen?

Klar sollten sie das, findet Verena Pausder. Aber warum sollten sie nicht auch lernen, ihre Kreativität digital auszuleben? Pausder, selbst Mutter zweier Söhne und in Hamburg geboren, glaubt fest an einen Mix, in dem sowohl die analoge als auch die digitale Welt ihren Platz haben. 2012 gründete sie zusammen mit ihrem Partner das Kinder-App-Unternehmen Fox and Sheep. Am Donnerstag wurde sie beim Scoopcamp von nextMedia.Hamburg und der Deutschen Presse Agentur mit dem Scoop Award 2016 ausgezeichnet – für ihre „zahlreichen Aktivitäten und Projekte, die Kinder und Jugendliche spielerisch mit der Digitalisierung vertraut machen“, so die Begründung der Veranstalter.

Rund 25 Apps umfasst das Fox-and-Sheep-Portfolio

Fox and Sheep ist für Pausder nicht bloß ein netter Zeitvertreib, der sich an ein Minderheitenpublikum richtet: Die Gute-Nacht-App „Schlaf gut“, die Bauernhoftiere ins Bett, besser gesagt: in den Stall begleitet, wurde rund sechs Millionen Mal gekauft. Rund 25 Apps umfasst das Fox-and-Sheep-Portfolio (weltweite Downloads: mehr als 15 Millionen). Darunter befindet sich Bewährtes wie der „Streichelzoo“ des Künstlers Christoph Niemann und Brandneues wie die App-Version des Brettspielklassikers „Obstgarten“, in dem Äpfel und Birnen vor einem gierigen Raben beschützt werden müssen. Vor zwei Jahren verkauften Pausder und ihr Partner den Großteil der Unternehmensanteile an den fränkischen Spielzeughersteller Haba für einen zweistelligen Millionenbetrag. Digitale Bildung für Kinder scheint mehr zu sein als ein vorübergehender Trend für Familien mit hoher Smartphone-Affinität. Es ist ein Thema, das längst Teil der Familienrealität ist.

Pausder besitzt ein durchaus kritisches Bewusstsein für die frühkindliche Lernförderung via Tablet. Aber nur weil die Elterngeneration über geringe Erfahrungswerte und konservative Wertemaßstäbe auf diesem Gebiet verfüge, dürften digitale Kindermedien nicht automatisch in der Schmuddelecke landen. „Das Thema darf nicht aus Angst totgeschwiegen werden, es gehört an den Familientisch“, findet Pausder. Dort müssten, abhängig vom jeweiligen Familien-Rhythmus, Regeln definiert werden. In ihrem Haushalt gilt: Unter der Woche ist das Tablet für die Kinder (6 und 8 Jahre alt) tabu, am Wochenende darf bis zu einer Stunde täglich gespielt werden. Die Inhalte lege sie vorab fest, erklärt Pausder. „Meine Empfehlung an die Eltern: Nah dranbleiben an dem, was die Kinder spielen – und dann loslassen.“

In Amerika, Japan und Russland verzeichnet das Unternehmen die meisten Downloads

Für alle Fox-and-Sheep-Apps gilt: Es gibt keine Werbung, keine komplizierten Gebrauchsanweisungen oder Aufforderungen zum Kauf von Zusatzfunktionen. Nichts lenkt ab von dem eigentlichen Spiel. In Amerika, Japan und Russland verzeichnet das Unternehmen die meisten Downloads, die Apps sind in insgesamt 14 Sprachen erhältlich. Ein Unternehmen mit internationaler Ausrichtung zu führen, davon hat Pausder immer geträumt: „Ich freue mich über jede deutsche Mutter und jeden deutschen Vater, der eine unserer Apps runterlädt. Aber die Amerikaner und Chinesen sind mir fast noch wichtiger.“ Groß denken und auch mal ins Risiko zu gehen – diese Maxime gehört zu Pausders Unternehmerpersönlichkeit. In der männlich geprägten deutschen Start-up-Szene gilt Pausder als eine Art Vorzeigegründerin. Als Prototyp der technikbegeisterten Erfolgsfrau, die nebenbei eine Familie managt. „Wer sich unsere Kriterien – Journalismus, Technologie, Unternehmertum – vor Augen führt, muss zugeben, dass das Angebot an wirtschaftlich erfolgreichen Medien-Gründerinnen hierzulande nicht allzu reichhaltig ist. Aber es wird besser. Und daran hat auch Verena Pausder ihren Anteil“, lobte Meinolf Ellers, Chief Digital Officer der dpa, die Preisträgerin.

Grundschulklassen können mit einfacher Software Programmieren lernen

Auch Verena Pausders neues Projekt ist nicht unbedingt ein Selbstläufer: Im Februar 2016 eröffnete sie in Berlin eine Digitalwerkstatt. Dort sollen Grundschulklassen mit einfacher Software Programmieren lernen und unter der Anleitung von Medienpädagogen erforschen, aus welchen Teilen ein Computer besteht. Auch bei dieser Neu-Gründung war der Druck hoch: „Mir war klar: Wir dürfen hier keinen Fehler machen, das würden uns die Eltern nicht verzeihen“, sagt Pausder. Es gar nicht erst zu wagen, wäre natürlich keine Option.