Hamburg. Der Berliner Schriftsteller Dmitrij Kapitelman gewinnt den Klaus-Michael-Kühne-Preis 2016

Der in Kiew geborene und in Berlin lebende Autor Dmitrij Kapitelman erhält den Klaus-Michael-Kühne-Preis des Jahres 2016. Der 30 Jahre alte Kapitelman wird für sein Buch „Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters“ ausgezeichnet, das auf wunderbare Weise von einer zweifachen Selbstsuche erzählt.

Da ist zum einen Leonid, der Vater aus dem Titel. Ein in Leipzig lebender Inhaber eines russischen Lebensmittelgeschäfts, der von Geburt her Jude ist und aus der Ukraine stammt. Er kam mit seiner Familie als sogenannter Kontingentflüchtling nach Deutschland. Zu dieser Familie zählt auch der Ich-Erzähler, der selbst Halbjude ist und deshalb vielleicht noch mehr Identitätsnöte mit sich herumschleppt als der Vater. Der ist offensichtlich nirgends richtig zu Hause. Der Sohn schlägt ihm, dem Unreligiösen, eine Bildungsreise nach Israel vor. Dort werden beide, Vater und Sohn, mit ihren Herkünften aus verschiedenen Zusammenhängen konfrontiert. Was ernst klingt, ist vor allem ein heiteres Stück, das manches über die Gegenwart in Deutschland und Israel verrät.

Kapitelman war einer von acht Schriftstellern und Schriftstellerinnen, die sich und ihre Werke im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals im Debütantensalon vorstellten. Der Kühne-Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und zählt zu den wichtigen deutschsprachigen Debütantenpreisen. „Dmitrij Kapitelman erzählt von seinem Vater, er erzählt von sich selbst – und damit von der ganzen Welt. Vom 20. Jahrhundert mit seinen Schrecken, vom 21. Jahrhundert, in dem die Suche nach Identität zu einem der beherrschenden Themen geworden ist. In seinem autobiografisch gefärbten Buch ,Das Lächeln meines unsichtbaren Vaters‘ schlägt er einen Bogen von der Sowjetunion über Ostdeutschland nach Israel“, heißt es in der Begründung der Jury.

Kapitelmans Buch geht über die reine Biografie hinaus

Zu der Jury zählten in diesem Jahr Sebastian Hammelehle („Der Spiegel“), Annegret Schult (Buchhandlung Felix Jud), Judith Liere („Stern“), Alexander Solloch (NDR) und Abendblatt-Redakteur Thomas Andre.

Die Jury würdigt außerdem den „leichtfüßigen, ironischen Ton“, den Kapitelman anschlage; der Autor führe die klassische Vater-Sohn-Geschichte in den Bereich, in dem es „auch um Loyalitätsfragen geht und um den Wert der Toleranz“. Neben Kapitelman waren Rasha Khayat, Roland Schimmelpfennig, Johannes Ehrmann, Katharina Winkler, Emanuel Bergmann, Frédéric Zwicker und Shida Bazyar für den Klaus-Michael-Kühne-Preis nominiert.

Die Wahl von Dmitrij Kapitelman adelt einmal mehr die aus Osteuropa in die deutschsprachige Literatur eingewanderte Autorengruppe. Zu ihr gehört auch Olga Grjasnowa („Der Russe ist einer, der Birken liebt“), die 2012 den Kühne-Preis erhielt. Was Kapitelmans Buch, das nicht die Gattungsbezeichnung „Roman“ trägt, aber durch die Literarizität des Texts über die bloße Biografie hinausgeht, lesenswert macht, ist neben dem sprachlichen Flow und der trockenen Pointensicherheit das Por­trät einer gar nicht so kleinen Bevölkerungsgruppe in Deutschland.

Preisverleihung Fr 23.9., 20.00, Kühne + Nagel (Bus 111), Großer Grasbrook 11-13. Ehrengast des Abends ist Bov Bjerg, Karten 12,-