Hamburg.

Zwei Leinwände rechts und links im Thalia-Foyer in der Gaußstraße. Asylsuchende aus verschiedenen Ländern werden nach ihrer Geschichte befragt: Warum sind Sie geflohen? Wurden Sie verfolgt? Welchen Beruf haben Sie dort ausgeübt? Wurde Ihnen Gewalt angetan? Eine Dolmetscherin übersetzt diese Geschichten für die Beamten, die über die Zukunft dieser Menschen in Not entscheiden müssen. Doch entsprechen diese Geschichten eigentlich der Wahrheit?

Der 15-minütige Auftakt zur Uraufführung von Shumona Sinhas „Erschlagt die Armen“ zeigt den Theaterbesuchern, wie schwierig diese Entscheidung ist. In Not sind diese Menschen alle, doch nur wer vor Krieg geflohen ist, darf bleiben. Sinha, 1973 in Kalkutta geboren, lebt seit 2001 in Paris und hat dort viele Asylsuchende aus Bangladesch getroffen.

Regisseurin Anne Lenk lässt vier maskierte Gestalten auf die Bühne kriechen. Sie kommen in einem klinisch sauberen gekachelten Raum (Bühne: Judith Oswald). Die Übersetzerin (Alicia Aumüller) spricht währenddessen immer wieder von einen Traum: „Er ist Wille, der Ozeane überwinden lässt.“ Die maskierten Menschen haben Meere überwunden und müssen nun ihre Fluchtgeschichten erzählen. Wieder und wieder. Nur wer gut lügt, hat eine Chance, die kafkaeske Bürokratie mit den immer schneller ausgesprochenen Ablehnungsbescheiden zu überwinden

„Erschlagt die Armen“ ist der Versuch, das brisante Thema der aktuellen Völkerwanderungen ins Theater zu bringen und dabei möglichst differenziert vorzugehen. Doch die Frage etwa nach der Würde und dem Stolz der Asylsuchenden bleibt in der Dramatisierung des Romans unbeantwortet. Die stärkste Szene des 90-minütigen Abends hat Matthias Leja, als er von einer Massenvergewaltigung erzählt. Beim Zuhören stockt einem der Atem, so brutal klingt seine Schilderung. Am Ende nimmt er die Maske vom Kopf und fragt: „Stimmt die Vergewaltigungsgeschichte?“ Was bleibt, ist Verunsicherung.

Wieder ab 24.9., Thalia Gaußstraße