Hamburg. Das K3 – Zentrum für Choreographie auf Kampnagel wird zehn Jahre alt. Zeit für eine ungewöhnlich detaillierte Tanz-Bilanz.
Der Tanz ist eine flüchtige Kunst, die häufig rätselhaft erscheint im Vergleich mit dem Sprechtheater. Dabei hat gerade der zeitgenössische Tanz neben dem Ballett viele Anhänger in Hamburg. Seit zehn Jahren ist das K3 – Zentrum für Choreographie unter dem Dach der Produktionsstätte Kampnagel die erste Adresse, seinerzeit errichtet auf Initiative des Tanzplans Hamburg als Teil der Kulturstiftung des Bundes. Von der ersten Stunde an dabei ist seine Leiterin, die Dramaturgin und promovierte Theaterwissenschaftlerin Kerstin Evert.
„Damals war das K3 – Zentrum für Choreographie das größte von neun Projekten im Rahmen von Tanzplan Deutschland“, erzählt Evert. Seit einem Jahrzehnt gilt sie als kluge, besonnene Kämpferin für die Sache des Tanzes in der Stadt. Die Fördermittel für die Freie Szene wurden seinerzeit neu aufgestellt, die Projektförderung für Tanz und Theater in Hamburg wurde um 100.000 Euro auf 400.000 Euro aufgestockt. Seit der Eröffnung im Herbst 2007 ist das K3 – Zentrum für Choreographie die erste Anlaufstelle für Hamburgs Tanzschaffende. Sie können in den drei Räumen im Zuge von Residenzen proben und forschen, sich weiterqualifizieren und trainieren, darüber hinaus erfahren viele Jugendliche und Erwachsene in Vermittlungsangeboten Neues über Theorie und Praxis des Tanzes.
Jährlich vergibt Kerstin Evert drei achtmonatige Residenzen. Choreografen wie Sebastian Matthias, Lucia Glass, Sylvi Kretschmar oder Ursina Tossi konnten sich mit ihrer Hilfe zum Teil auch überregional durchsetzen. Auf die drei begehrten Plätze bewerben sich bis zu 70 Interessenten. „Ziel ist es, die Szene vor Ort zu stärken, unter anderem dadurch, dass Künstler nach Hamburg kommen, hier Menschen kennenlernen und im Idealfall weiterarbeiten. Auch weil sie sehen, dass Hamburg eine sehr lebenswerte Stadt ist“, so Evert. Für die Jubiläumsspielzeit, die 2017 von einem großen Festival begleitet wird, hat Evert die Residenz einmalig für bereits erfahrene Tanzschaffende ausgeschrieben, unter denen sich das Berliner Trio Dennis Deter, Anja Müller und Lea Martini durchsetzte. Für die Residenzen des Folgejahres erhielt sie 220 Bewerbungen aus mehr als 60 Ländern, darunter Iran, Südkorea, Malaysia und Uganda.
Evert musste um Finanzierung bangen
Auf den ersten Blick wirkt das K3 unscheinbarer als seine große Schwester Kampnagel. Dort gastieren die großen internationalen Tanzproduktionen. Das K3 zeigt 40 Publikumsvorstellungen im Jahr, agiert sonst aber eher im Verborgenen. Der Jugendclub und die Partnerschaft mit der Stadtteilschule Winterhude sind öffentlich nicht sehr sichtbar. Gleichwohl haben sie eine große Reichweite. 25.000 Menschen haben in den vergangenen zehn Jahren an Vermittlungsprojekten teilgenommen, darunter 15.000 Kinder und Jugendliche. „Die Jugendlichen sollen einen Bezug zum Genre Tanz bekommen“, sagt Kerstin Evert. Sie legt Wert darauf, dass die Teilnehmer nicht nur selbst tanzen, sondern auch etwas über die Hintergründe des Tanzes erfahren.
Seit 2007 arbeiteten 1534 internationale Künstler im K3. Everts Statistik führt auch den Fund 141 herrenloser Socken und die Verwendung von 333,7 Metern Pflaster auf. Die Spülmaschine in der roten K3-Küche ist fast immer in Betrieb. „Das K3 ist ein Arbeitsort, der Grundlagen aus allen Bereichen der künstlerischen Produktionspraxis in Tanz und Choreografie vermittelt“, so Evert. In den ersten fünf Jahren führte das zu einem Schub in der Tanzszene, auch durch den seit 2006 erfolgreich angelaufenen Master-Studiengang Performance Studies an der Uni Hamburg.
Bis 2011 musste Kerstin Evert um die weitere Finanzierung durch die Kulturbehörde bangen. Erst in letzter Minute ging es weiter. Mit 300.000 Euro schlägt das K3 – Zentrum für Choreographie im Kulturetat zu Buche. Die Summe ist seit Jahren gleich. Für die Jubiläumsspielzeit konnte Evert noch einmal so viele Drittmittel einwerben. „Das lässt sich aber für die übernächste Spielzeit nicht wiederholen“, sagt sie. „Die Lebenshaltungskosten in Hamburg sind hoch. Wir wollen auch in den Residenzen nicht nur Solos produzieren, doch kommen mehrere Akteure hinzu, müssen die Produktionsbudgets höher sein.“ Es knirscht derzeit an allen Ecken. Akut gefährdet ist die Vermittlungsstelle. Evert bräuchte mindestens 100.000 Euro mehr. Sonst muss sie einen der drei Bereiche des K3 schließen. „Ein kontinuierliches Arbeiten ist so nicht möglich“, erklärt sie.
Ob Pina Bausch oder William Forsythe, ihre Kompanien existieren ohne sie weiter, aber dahinter wächst mangels kontinuierlicher Förderung wenig nach. Wenn an Theatern gespart werden muss, ist es zuerst die Tanzsparte, die man für verzichtbar hält. „Wir versuchen die Künstler gut zu vernetzen, zuletzt mit dem ‚Treffen Total‘, das unter anderem von der Choreografin Jenny Beyer initiiert wurde“, sagt Kerstin Evert. „Es gibt viel Potenzial im zeitgenössischen Tanz in Hamburg, das gilt es weiterzuentwickeln, sonst läuft es sich tot.“
10 Jahre K3: „Together Apart – Choreographische Annäherungen an das Zusammenhalten in Europ a“ 30.3. bis 9.4.2017, K3 – Choreographisches Zentrum Hamburg, Jarrestraße 20, Karten: www.k3-hamburg.de