Christina von Schweden war im 17. Jahrhundert eine ungewöhnliche Königin. Mika Kaurismäki zeigt sie im Film „The Girl King“.

Mika Kaurismäki ist ein Wanderer zwischen den Welten. Der Mann, der in München Film studiert hat und immer noch ausgezeichnet Deutsch spricht, lebt schon seit Langem in Brasilien. Wenn seine Kinder keine Schule haben – in Brasilien sind Winterferien – muss der gebürtige Finne auch im hohen Norden nach dem Rechten sehen, er betreibt mit seinem Bruder Aki Kaurismäki mehrere Bars in Helsinki. Jetzt bringt Mika Kaurismäki den Film „The Girl King“ ins Kino. Es geht darin um Christina von Schweden, die im 17. Jahrhundert nach dem Tod ihres Vaters Gustav II. Adolf auf dessen Wunsch wie ein männlicher Thronfolger erzogen wurde, bevor sie zur Regentin aufstieg. Malin Buska spielt Christina, ebenfalls besetzt sind Martina Gedeck als ihre Mutter und Peter Lohmeyer als Bischof von Stockholm. Nominell wurde Christina bereits mit sechs Jahren zur Regentin, gekrönt wurde sie als 18-Jährige. Hier beginnt auch der Film über eine junge Frau, die Weltgeschichte schrieb und den Dreißigjährigen Krieg beendete.

Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Film gekommen?

Mika Kaurismäki: Ein Produzent hat mich gefragt. Er wusste gar nicht, dass ich mich schon immer sehr für Christina interessiert und schon in der Schule viel von ihr gehört habe. Danach ist mein Interesse an ihr nie erloschen. Sie ist eine sehr komplexe und interessante Figur. Ich wollte aber keinen musealen Geschichtsfilm, sondern zeigen, dass diese Frau heute noch modern wäre. Es hat sich seit dem 17. Jahrhundert ja auch gar nicht so viel verändert. Wir führen immer noch Kriege wegen der Religion. Junge Leute fragen sich auch heute, welche Entscheidungen sie treffen sollen, damit sie glücklich werden können. So habe ich auch Christina gesehen.

Sie haben in Finnland in der Schule von dieser schwedischen Königin gehört?

Wir hatten einen guten Lehrer. Die Finnen haben ein ganz anderes Bild von ihr als die Schweden. Dort gilt sie als Verräterin. Aber sie war damals ja auch unsere Königin und hat viele Schulen, Bibliotheken und die Finnische Akademie gegründet. Sie hat viel für die Bildung der Finnen getan. Wir sehen sie positiv.

Sie zeigen nur einen Ausschnitt aus ihrem ereignisreichen Leben. Warum?

Es ist mir sehr schwergefallen, aber ich hatte ja nur zwei Stunden Zeit. Man hätte gut noch erzählen können, welche Einstellung sie zur Alchemie hatte, das war damals ein ganz heißes Thema, oder was nach ihrer Abdankung alles geschehen ist. Wir hatten auch mal eine Drehbuchfassung, in der das alles drin war. Aber dann haben wir uns auf die zehn wichtigen Jahre zwischen ihrer Krönung und der Abdankung konzentriert.

Christina schwebt zwischen vielen Gegensätzen: Frau-Mann, Königin-Privatperson, evangelisch-katholisch.

Sie war eine Visionärin. Aber sie hat ihr Leben lang sich selbst gesucht.

Sie holte sich mit René Descartes einen bedeutenden Philosophen an ihren Hof ...

.. dazu viele andere Philosophen, Künstler und Architekten. Sie wollte Stockholm zum Athen des Nordens machen.

Schweden ist bis heute eine Monarchie geblieben, Finnland nie eine gewesen. Macht das einen Unterschied aus?

Ich glaube schon. Für die Schweden ist die Monarchie ein wichtiger Teil ihrer Identität, auch wenn sie sie manchmal kritisieren. Das sind wohl noch ihre Erinnerungen an die Zeit, als sie eine Großmacht waren. Wir sind dagegen glücklich, dass wir unabhängig sind. Das reicht uns auch.

„The Girl King“ ist nach „Mama Africa“ schon Ihr zweiter Film mit einer starken Frau im Zentrum. Wird das eine Serie?

Regisseur Mika
Kaurismäki
interessiert sich
seit seiner
Schulzeit für
Christina Wasa
Regisseur Mika Kaurismäki interessiert sich seit seiner Schulzeit für Christina Wasa © Getty Images

Ich habe dazwischen auch „Scheidung auf Finnisch“ gemacht. Aber es stimmt schon, und es ist ja auch kein Wunder, denn ich habe selbst drei starke Töchter. Und Christina hatte eigentlich drei Väter: ihren leiblichen, den Kanzler und später diesen Karl. Sie war ihr ganzes Leben auf der Suche nach einer starken Vaterfigur.

Greta Garbo hat diese Frau im Film „Königin Christine“ von 1933 verkörpert. Werden Sie manchmal noch danach gefragt?

Die Leute fragen mich, ob mich der Film inspiriert hat. Ich kenne ihn natürlich, habe ihn mir kurz vor meinem eigenen Film extra nicht noch einmal angesehen, denn ich wollte kein Remake machen. Wir haben aber recherchiert und ein Interview mit Greta Garbo über diesen Film gefunden. Sie wollte, dass die Liebesgeschichte zu Christinas Hofdame Ebba Sparre im Vordergrund stehen sollte. Aber Hollywood war damals noch nicht bereit, so etwas zu zeigen. Stattdessen zeigen sie im Film eine konventionelle Liebesgeschichte zwischen Mann und Frau. Was wir zeigen, hätte der Garbo vielleicht besser gefallen.

Auch Greta Garbo war am Ende ihres ­Lebens sehr einsam und unglücklich. Gibt es da Parallelen zu Christina?

Christina hat sich am Ende ihres Lebens im Vatikan nur auf ihre Kunst­akademie konzentriert. Vielleicht hat sie das glücklich gemacht, aber sie hat da nicht mehr ihre großen und verrückten Ideen gehabt. Sie hat auch versucht, wieder nach Schweden zurückzugehen, aber sie haben sie nicht wieder reingelassen.

The Girl King läuft im „Magazin“