Die Ouvertüre erzählt ein Rätsel: Zwei blutverschmierte Kinder irren durch die Nacht, der Bruder trägt seine Schwester auf dem Arm, zieht sie voran, nirgends ist Hilfe in Sicht. Schließlich geraten sie an ein Filmset, Schauspieler und Regisseurin sind schockiert, als sie die beiden sehen. Was sind das für ­Kinder? Und, vor allem: woher kommen sie? „Wir kommen von Gott“, sagt der Junge.

Danach nimmt die Handlung erst einmal einen ruhigeren Verlauf in Kai Hensels Psychothriller „Bist du glücklich?“ (Hoffmann und Campe, 333 Seiten, 20 Euro). Laura und Patrick – jung, erfolgreich, Wohnung am Wannsee – starten mit ihrem Cabrio ins Wochenende. Das Ziel: ihr Schloss in Brandenburg, verfallen, morbid romantisch, eher ein heruntergekommenes Herrenhaus. Meistens verbringt Patrick die Wochenenden dort allein. Um zu arbeiten, wie er sagt. Patrick hat die App „Bist du glücklich?“ auf den Markt gebracht, immer mehr Menschen laden sich das Spiel herunter. Es wird zum Suchtfaktor, der Patrick zum reichen Mann macht.

Man ahnt, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Raffiniert platziert Hensel, ein gebürtiger Hamburger, der früher viel für das Theater schrieb und auch als Drehbuchschreiber in Erscheinung getreten ist, seine unheilvollen Andeutungen – den Spannungsbogen von Seite zu Seite stärker zu spannen, das versteht er perfekt. Spätestens als Laura in Patricks Reisetasche eine Axt findet, ist klar: Das geht hier nicht gut aus. Und als dann noch eine Stalkerin ins Spiel kommt, die sich als Krankenschwester ausgibt, kippt die Story mitten hinein in ein Szenario, das Stephen King hätte erschaffen können. Und wie dessen Geschichten enden, weiß man ja.

„Bretonische Flut“ sprang von null auf eins der Bestsellerliste

In Kommissar Dupins fünftem Fall, „Bretonische Flut“ (Kiepenheuer & Witsch, 434 Seiten, 14,99 Euro), geht es nicht ganz so martialisch zu. Gleichwohl ist das, was Dupin anfangs zu sehen bekommt, nichts für seinen noch am Vorabend mit kulinarischen Köstlichkeiten verwöhnten Magen. In einer Fischauktionshalle liegt die Leiche einer Frau – übersät mit fauligen Fischabfällen ruht sie in einem Container. Die Identität der Frau ist schnell geklärt, es handelt sich um eine Küstenfischerin, die von einer der bretonischen Westküste vorgelagerten Inseln stammt. Dort und vor der gewaltigen Kulisse des Naturparks Parc Iroise ermittelt Dupin in einem Fall, der den Konflikt zwischen Fischern und Naturschützern berührt.

Jean-Luc Bannalec (ein Pseudonym des Geschäftsführers des Fischer-Verlags, Jörg Bong) erzählt seine Geschichte gewohnt routiniert und recht spannend. Wobei jedoch vor allem eines zählt in den Kommissar-Dupin-Romanen: die mythendurchwirkte, dramatisch akzentuierte Landschaft der Bretagne, die Bannalec fürwahr in glühenden Farben zu schildern weiß. So sind diese Bücher auf gewisse Weise vor allem eines: Text gewordene Animateure. Sie fordern auf, endlich in die Bretagne zu reisen – und man ist durchaus versucht, dieser Verlockung nachzugeben. Vermutlich deshalb sind die Romane ausnahmslos Bestseller.

Auch „Bretonische Flut“ sprang nach dem Erscheinen von null auf eins der „Spiegel“-Bestsellerliste Paperback. Und passend zur Krimi-Serie erscheint im November „Bretonisches Kochbuch“ mit den Lieblingsrezepten von Kommissar Dupin. Nicht eben neu, diese Methode (siehe etwa Martin Walker und Donna Leon), aber eines ist sie gewiss: erfolgreich.