Hamburg. Deutschlands größter Festival-Organisator Folkert Koopmans über Sicherheitskonzepte und zunehmend schlimme Wettervoraussetzungen

Folkert Koopmans, Chef von FKP Scorpio, ist der größte Festivalorganisator in Deutschland und einer der größten in Europa. In Deutschland gehören unter anderem Hurricane, Southside, Mera Luna, A Summer’s ­Tale, der Rolling Stone Weekender und Elbjazz zu seinen Veranstaltungen. Im Ausland organisiert er elf weitere Festivals. Wir haben ihn zu Sicherheitsfragen, Wetterkapriolen und zukünftigen Konzepten befragt.

Kennen Sie das Festival in Ansbach, bei dem sich am Sonntag ein Mann in die Luft gesprengt hat?

Folkert Koopmans: Nein, ich kenne das Festival nicht. Ich habe gehört, dass da etwa 2000 Besucher waren. Es ist wohl ein kleineres Festival, wie es sie zu Hunderten in Deutschland gibt.

Was bedeutet so ein Anschlag für die ­kommenden Festivals?

Wir können uns nicht vollständig schützen. Der Attentäter von Ansbach hatte keine Karte, deshalb kam er nicht aufs Gelände. Wenn er ein Ticket gehabt hätte, wäre sein Rucksack kontrolliert worden. Er hätte sich kurz vor der Kontrolle oder vor dem Ordner in die Luft sprengen können. Außerhalb des Veranstaltungsgeländes ist das Risiko nicht kon­trollierbar.

Können Sie ausschließen, dass jemand mit einem Sprengsatz oder Waffen auf ein ­Festivalgelände kommt?

Im Grunde genommen können wir das durch das Sicherheitskonzept an den Einlassschleusen ausschließen. Das Personal ist natürlich nicht bewaffnet. Wenn jemand eine Waffe hat, kann mein Personal nur noch warnen oder versuchen ihn festzuhalten. Aber wenn wie in Paris drei Bewaffnete mit Maschinenpistolen in einen Club stürmen, sind Ordner machtlos. Aber es sind bei jedem Festival Polizisten auf dem Gelände, bei großen Festivals eine Hundertschaft und mehr, so dass eine polizeiliche Absicherung gegeben ist.

Was können Festivalveranstalter tun, um Zuschauer diese Bedrohung im Kopf zu nehmen?

Wir müssen ehrlich und transparent mit unseren Zuschauern kommunizieren, welche Sicherheitsmaßnahmen wir haben. Beim Southside und beim Hurri­cane, als wir in diesem Jahr wegen des Wetters evakuieren mussten, hat das gut funktioniert. Deshalb schenken die Besucher uns ihr Vertrauen. Wenn solche Dinge öfter passieren, werden Kartenverkäufe zurückgehen, wie das jetzt schon in Belgien passiert.

Hat sich Ihre Arbeit als Konzertveranstalter in den vergangenen Jahren verändert?

Es wird jetzt zu Veränderungen führen. Auch die Wettersituation war noch nie so schlimm wie in diesem Jahr. Für jede Großveranstaltung wird es schwieriger werden. Wir sind in verschiedenen Gremien mit der Polizei und den Ordnungsbehörden auch auf Bundesebene vertreten, was zum Beispiel dazu geführt hat, dass wir unser Personal sehr genau kontrollieren. Wir versuchen, unsere Veranstaltungen so gut abzusichern wie es möglich ist. Ein Restrisiko bleibt.

Was war das Problem beim Hurricane?

Der Sonnabend ist komplett ins Wasser gefallen, weil die Regenmenge 100 Millimeter pro Quadratmeter entsprach. Da konnten wir nicht gegenanpumpen. Als wir mit Pumpen fertig waren, hat es wieder geschüttet. Bauern in Scheeßel haben mir gesagt, dass sie solche Regenfälle noch nie erlebt hätten.

Wie lange dauert eine Evakuierung von rund 60.000 Festivalbesuchern?

Den Platz können wir in 10 bis 15 Minuten räumen. Bis alle sicher in den Autos sind, dauert es etwa 45 Minuten, weil es weiter entfernte Zelt- und Parkplätze gibt.

Was bedeuten diese doch zunehmenden ­Unwetter für die Zukunft?

Wir sind nicht komplett hilflos. Man muss mehr Geld in die Gelände investieren, sodass wir auch bei viel Regen spielen können. Beim Southside hatten wir bereits eine halbe Million Euro investiert, das hat den Abbruch nicht verhindern können. Mit Unterbrechungen werden wir leben müssen.

Haften die Versicherungen?

Ja, wir sind gut versichert. Beide Festivals befinden sich bereits in der Abwicklung. Für die Zukunft bin ich pessimistischer. Aufgrund der Schäden, für die Versicherungen in diesem und im vergangenen Jahr aufkommen mussten, wird es sehr teuer, große Versicherungspakete für alle Bereiche eines Festivals abzuschließen – wenn es überhaupt noch möglich sein wird.

Welche Alternativen gibt es?

Es wird ein anderes Modell geben müssen. Jeder Kunde, jeder Lieferant, jede Band wird sich selbst versichern müssen. Zum Beispiel mit einer Ticketversicherung für zwei Euro, so ähnlich wie eine Reiserücktrittsversicherung. Da könnte es hingehen.

Bekommen die Fans Geld von Ihnen ­zurück?

Wir arbeiten seit dem Festivalwochenende mit Hochdruck an einer entsprechenden Lösung, können dazu zum jetzigen Zeitpunkt aber noch keine endgültige Aussage treffen, da erst das Datenmaterial vollständig ausgewertet sein muss. Und: Mit 189 Euro ist der Ticketpreis beim Hurricane zwar hoch, im europäischen Vergleich liegt er immer noch an der unteren Messlatte. Steigerungen werden sich nicht verhindern lassen. Gema-Gebühren, Genehmigungen, Sicherheitskonzepte sind teurer geworden. Für den Aufwand, den wir betreiben, müssten die Preise eigentlich doppelt so hoch sein, aber das wird nicht durchsetzbar sein.

Sind neue Konzepte in Planung?

Unsere Vision ist es, europaweit Veranstalter zu werden. Wir organisieren bereits Festivals in Dänemark, Schweden, Finnland, Holland, Österreich und der Schweiz. Es wird in Zukunft mehr Stadtfestivals ohne Camping geben wie Lollapalooza in Berlin. Auch weitere Weekender mit speziellen Angeboten und Festivals mit Electronic Dance Music haben wir in Planung. Ab und zu muss man auch mal einen Joker setzen und etwas wagen.