Hamburg. Der Hamburger Frank Göhre hat eine Dokumentation über die Münchner Gruppe gedreht. Sie läuft beim Filmfest München.
Die Münchner Gruppe machte sich in den 60er- und frühen 70er-Jahren daran, frischen Wind in die deutschen Kinosäle zu bringen. Zur Gruppe gehörten Iris Berben, Dominik Graf, Klaus Lemke, Werner Enke, May Spils, Rudolf Thomé und einige andere. Anfangs wurden ausschließlich Kurzfilme gedreht, später auch Langfilme. Der Hamburger Autor Frank Göhre hat gemeinsam mit Torsten Stegmann und Borwin Richter eine Dokumentation über die Münchner Gruppe gedreht. „Zeigen, was man liebt“ läuft beim Münchner Filmfest, das heute beginnt.
Sie haben Kriminalromane, Essays, Drehbücher geschrieben. Wie kam es zur ersten Regiearbeit?
Frank Göhre: Die Idee hatte der Hamburger Filmemacher Torsten Stegmann. Er fragte mich, ob ich Lust hätte, für einen Film über die Münchner Gruppe ein Konzept zu schreiben. Ich habe zugesagt und ihn dann meinerseits gefragt, ob er sich vorstellen könnte, dass ich auch bei der Regie mit einsteige. Er hat sofort Ja gesagt. Und so bin ich Deutschlands ältester Jungfilmer geworden. Im Oktober 2015 habe ich dann angefangen, ein Exposé zu schreiben, auch in Hinblick auf die Filmförderung.
Wie lief es mit der Filmförderung?
Göhre: Wir sind abgelehnt worden. Enttäuscht hat mich vor allem der Umgang. Es ging nur darum, welches Formular wir ausfüllen müssen, wie wir das mit dem Soundcheck machen, wie das mit der Musik ist ...
Um Inhalte ging es nicht?
Göhre: Nein. Ich hatte gehofft, uns fragt jemand, was wir mit dem Thema genau machen wollen, aber das war nicht so.
Eine Enttäuschung?
Göhre: Klar, aber dann wir haben gesagt: Eigentlich ist es ein Gewinn, dass wir abgelehnt wurden, denn jetzt müssen wir es machen wie die Filmemacher damals, über die wir den Film drehen: ausschließlich mit unserem Geld.
Und was hat’s am Ende gekostet?
Göhre: Alles in allem liegen wir inklusive unserer Eigenleistungen weit unter den Produktionskosten einer vergleichbaren Dokumentation der öffentlich-rechtlichen Sender.
War es schwierig, die Protagonisten für das Projekt zu gewinnen?
Göhre: Nein, Werner Enke etwa war sofort begeistert, auch Dominik Graf war kein Problem. Ein wenig schwieriger war es, an Iris Berben heranzukommen. Da hat mir Heinrich Breloer geholfen und mir die Adresse von Berbens Privatsekretärin gegeben. Danach ging alles ganz schnell, sie hat sofort zugesagt.
Sie zeigen viele alte Filmausschnitte. War es kompliziert, an die Rechte zu kommen?
Göhre: Lemke und Enke etwa hatten die Rechte an ihren Filmen, die haben sie sofort für uns freigegeben. Schwieriger war es mit Thomé, aber auch er hat einen niedrigeren Preis für Szenen aus seinen Filmen akzeptiert.
Die Doku lebt auch von Kontrasten – hier etwa der Weltverbesserer Klaus Lemke, Typ coole Socke mit Sonnenbrille, dort die charmant plaudernde Iris Berben.
Göhre: So waren ja auch die Gespräche. Iris Berben habe ich hier in Hamburg in der Körber-Stiftung interviewt. Mit Klaus Lemke habe ich in München in einer Tiefgarage gesprochen, die genau unter der ehemaligen Bar namens Bungalow liegt, wo sich die Filmer früher zum Trinken und Flippern getroffen haben. Lemke sagte mir: Du brauchst keine Fragen stellen, ich rede 30 Minuten am Stück, und dann ist gut.
Einige der Protagonisten scheinen in der alten Zeit stecken geblieben zu sein, vor allem Werner Enke, der in „Zur Sache, Schätzchen“ spielte.
Göhre: Enke ist der Einzige, der nicht nach vorn blicken kann. Er redet ständig und detailreich über diese Zeit. Das Interview mit ihm dauerte drei Stunden, da wäre ich fast am Tisch eingeschlafen.
Wie ist denn heute das Verhältnis der Protagonisten untereinander?
Göhre: Na ja, da gibt es schon alte Sachen, die noch schwelen. Wie immer sind das auch Frauengeschichten: Wer wem damals die Frau weggenommen hat und was. Es sind viele Empfindlichkeiten zurückgeblieben.
Was war das Neue dieser Filme damals?
Göhre: Es ging um einfache Geschichten aus dem Alltag. Jemand verliebt sich auf dem Oktoberfest, ein anderer bricht aus seiner Ehe aus, mehr ist das nicht.
Der erfolgreichste Film der Gruppe war 1968 „Zur Sache, Schätzchen“ von May Spils mit Werner Enke und Uschi Glas. Ein Kassenschlager, der aber langsam auch das Ende dieser Gruppe einläutete, oder?
Göhre: Ja, das stimmt. In der Kneipe sitzen, Bier trinken und von Filmprojekten träumen, das hörte auf, als es von Kurz- zu Langfilmen ging. Da konnte man nicht mehr schnell aus der Hand heraus filmen. Mit dem Spaß und dem Improvisieren war es vorbei.
„Irgendwie hat man geträumt, und irgendwie wollte man anders sein“, sagt Iris Berben in der Doku. Eigentlich war es also recht konzeptlos.
Göhre: Wie es damals eben so war: Man möchte irgendwie anders leben, als die Eltern es uns vorgelebt haben. Die Münchner Gruppe aber hat das nicht explizit politisch gemacht, sondern zu ihrem Spaß. Es war Pop-Kunst.
Wie geht es mit der Doku nach dem Filmfest München weiter?
Göhre: Wir haben Einladungen zu Festivals nach Lugano und Cambridge. Wenn wir in größere Kinos gehen wollen, wie das Abaton, werden wir einen Verleih brauchen. Sollten wir keinen finden, werden wir auch das selber machen.
Nach diesen Erfahrungen – würden Sie noch einmal Regie führen wollen?
Göhre: Ja, ich möchte ein großes Porträt über Klaus Lemke machen. Das ist mit ihm auch schon abgesprochen.