Hamburg. Wie die Regisseurin Uisenma Borchu gegen alle Widerstände ihren Film „Schau mich nicht so an“ realisierte

Am Adjektiv „mutig“ kommt man bei diesem Film und seiner Regisseurin nicht vorbei. „Schau mich nicht so an“, der zurzeit in den Kinos läuft, erzählt von zwei Frauen. Hedi (Uisenma Borchu) und Iva (Catrina Stemmer) sind alleinstehende junge Frauen. Sie leben frei, lustbetont, aber nicht verantwortungslos. Iva hat eine Tochter. Als Ivas Vater (Josef Bierbichler) zu Besuch kommt, erprobt Hedi ihre Verführungskünste auch an ihm.

Auch ohne die Hintergrundgeschichte ist es ein sehenswerter, erfrischend unkonventioneller Film geworden. Borchu hat ihn selbst inszeniert, Catrina ist ihre Freundin, ihr Freund Sven Zellner stand an der Kamera. Selbstausbeutung war nötig, denn das Budget betrug nur 25.000 Euro. Die Filmförderer in Bayern, wo Borchu studiert hat, wollten diesen Abschlussfilm nicht fördern, auch der BR winkte ab. Der Film sei zu radikal und zu explizit sexuell. Außerdem handele er in 90 Minuten fast nur von Frauen, das sei nicht kommerziell genug. Dass die Regisseurin auch die Hauptdarstellerin ist, sei „auch nicht gerade sinnvoll“. Borchu war frustriert, aber nur kurz.

„Wir waren aus dem Spiel, weil wir so viele Risiken auf uns genommen haben. Ich habe aber gewusst, diese Kon­traste ziehen sich an, weil sie authentisch sind.“ Ihr Instinkt hat sie nicht getrogen. In Bayern gewann sie als Regisseurin den Nachwuchspreis, auch in Osaka wurde der Film prämiert. Die Förderer machten lange Gesichter.

Kern der Geschichte ist die Frage, wie junge Frauen angesichts der an Paaren ausgerichteten gesellschaftlichen Erwartungshaltung miteinander umgehen. „Das ist für mich ein großes Thema“, sagt Borchu. Ein Coup war das Mitmachen des großen Sepp Bierbichler bei so einem kleinen Nachwuchsfilmprojekt. Die Regisseurin hat ihn nach einer Lesung angesprochen und mit Material eingedeckt. „Nach zwei Wochen meldete er sich und fragte: Meinst du das ernst mit dem Großvater?“ Sie bejahte. Es dauerte noch ein Jahr, in dem er sich mehrfach meldete und sagte: Ach nein, das mache ich doch nicht. „Am Ende haben wir gar nicht mehr über Filme geredet, sondern über alles Mögliche. Da habe ich gemerkt: Es ist machbar, weil zwischen uns die Chemie stimmt.“

Zu den freizügigen Szenen, manche sehen den Film als Erotikdrama, sagt sie: „Die Nacktszenen waren nicht so geplant, aber ich habe gemerkt, dass ich die Nacktheit herausfordern wollte. Sie ist für mich einer der traditionellsten, puren und ehrlichen Wege, um etwas auszudrücken.“ Auf jeden Fall geben sie dem Film eine rohe und direkte Qualität. Borchu grenzt ihren Ansatz ab: „In Pornofilmen sind Frauen immer nur das Objekt. Wir zeigen, dass eine Frau als Nackte oder beim Sex noch 10.000 andere Seiten hat. Sie kann hässlich sein, nur schön oder was auch immer, eben menschlich.“ Den Film auf diese Filme zu reduzieren würde ihm jedoch nicht gerecht werden.

Mit vier Jahren kam Borchu 1988 aus der Mongolei nach Staßfurt in der Nähe von Magdeburg. Ihre Mutter studierte damals in Ostberlin, ihr Vater ist Künstler. Als er sich mit einem Atelier in Staßfurt selbstständig machte, wurden immer wieder die Scheiben eingeworfen. Die Polizei riet von Anzeigen ab, das sei sinnlos. Borchus Erinnerungen sind ambivalent. „Man kann im Osten sehr gut groß werden. Auch da gibt es wunderbare Leute und Freunde. Aber bei Ausländerfeindlichkeit kuschen viele.“ Auch sie habe immer wieder Sprüche gehört wie: „Du gehörst nicht dazu, du musst raus.“ Sie ließ sich davon nicht beeindrucken. Heute lebt sie mit Freund und ­Familie in München. Über die Situation im Osten Deutschlands will sie einen Film machen. Man darf gespannt sein. Vor Schwierigkeiten einknicken wird sie wohl kaum. „Diese Abhärtung, dieses Selbstbewusstsein habe ich eh intus. Mich reizt das Neue.“

„Schau mich nicht so an“ läuft im Abaton und im Studio-Kino