Starke neue Alben: Indierock von PJ Harvey, Kammerpop von Anohni, Jazz von Gregory Porter

    In den vergangenen Jahren war ­PJ Harvey viel unterwegs. Zusammen mit dem Filmemacher Seamus Murphy bereiste sie Afghanistan, den Kosovo und trieb sich in den Gettos von Washington, D.C. herum. Ein Bauvorhaben in der US-Hauptstadt gab ihrem aktuellen Album den Namen: „The Hope Six Demolition Projekt“ (Island/Universal) heißt die neue Platte der Engländerin. Nachdem sie sich auf „Let England Shake“ mit den Kriegen des britischen Empire beschäftigt hat, beleuchtet sie auf der neuen Platte andere Verheerungen in der Welt. Wenn sie in „The Community Of Hope“ eine heruntergekommene Schule in Washington beschreibt und vom „highway to death and destruction“ singt, wird daraus eine politische Anklage. Musikalisch knüpft das neue Album an den leicht hymnischen Indie-Pop von „Let England Shake“ an. Das Klangspek­trum erweitert Polly Harvey durch ein Saxofon, in das sie selbst tutet und das wie ein Klageinstrument klingt.

    Auch in Anohnis Texten erscheint die Welt als in der Endzeit begriffen. Der New Yorker Transgender-Sänger Antony Hegarty hat seinen Künstlernamen in Anohni geändert und sich endgültig zu seiner Weiblichkeit bekannt. „Hopelessness“ (Rough Trade/Beggars) hat er sein aktuelles Album betitelt. Der Name ist Programm für die elf kammermusikalischen Songs, auf denen Anohnis hoher Falsett in ein Arrangement aus elektronischen Beats, bratzenden Hörnern und dumpfen Schlägen auf diverse Pauken und Trommeln eingebettet ist. Die Songtitel verheißen nichts Gutes: „Drone Bomb Me“, „Execution“ „Violent Men“ und „Crisis“ sind in ihren Aussagen noch radikaler als PJ Harveys Lyrik. Ein Song trägt den Titel „Obama“, aber auch der US-Präsident wird bei Anohni zur negativen Figur. Als er gewählt wurde, war er auch für Anohni der Inbegriff von Hoffnung, doch für ihn entpuppt er sich als „Spion“ und als Befehlshaber tödlicher Drohnen-Angriffe.

    Eine andere Art sozialkritischer Songs wählt Gregory Porter. Sein aktuelles Album „Take Me To The Ally“ (Blue Note/Universal) enthält überwiegend Balladen, die sich um Liebe drehen und leider nicht zu den bemerkenswertesten Songs in seinem Werk gehören. Doch am Ende der Platte singt Porter noch zwei starke Nummern: „Fan The Flames“, im Hardbop-Stil gesungen, greift die Unruhen und Proteste nach der Erschießung unbewaffneter Afroamerikaner in Ferguson und anderen Städten auf, im groovenden „French African Queen“ besinnt Porter sich auf den Blues. Auch der Titelsong hat einen besonderen Hintergrund. Porter hat das Lied seiner Mutter gewidmet, die in einem heruntergekommenen Viertel in seiner Heimatstadt Bakersfield zwischen Prostituierten und Dealern Sozialarbeit geleistet hat.