Beste Hauptdarstellerin und beste Nebenrolle? Nicht immer lief es in der Karriere von Laura Tonke so rund wie jetzt.

Beim Deutschen Filmpreis am 27. Mai muss Laura Tonke gleich doppelt zittern. Die Berliner Schauspielerin ist nämlich zweimal nominiert, als beste Nebendarstellerin für „Mängelexem­plar“, der gerade anlief, und als beste Hauptdarstellerin in „Hedi Schneider steckt fest“. Theoretisch könnte sie zweimal absahnen. Wie fühlt man sich da? Wir haben die 42-Jährige getroffen.

Hamburger Abendblatt: Gratulation für gleich zwei Nominierungen. Ist das eine doppelte Chance? Oder schmälert es die Chancen, weil man mal in der und mal in jener Kategorie für Sie stimmen könnte?

Laura Tonke: Keine Ahnung (lacht). Da kursieren viele Theorien. Ganz ehrlich, auch wenn sich das immer komisch anhört: Ich empfinde das jetzt schon als Auszeichnung. Und wenn ich gar nicht gewinne, war ich trotzdem zweimal nominiert. Das allein ist schon toll.

Sie waren vor zehn Jahren schon für eine Lola nominiert. Geht man da lockerer hin oder ist man immer wieder aufgeregt?

Tonke: Ich war damals schon sehr aufgeregt. Aber was sich wirklich verändert hat: Heute habe ich das Gefühl, ich bin umgeben von Freunden. Das war damals nicht so stark. Das hat sicher mit dem Alter zu tun. Ich bin auch irgendwie gesettelter, ich habe jetzt einen Mann, ein Kind, eine Familie. Mit Mitte, Ende 20 war ich mehr competitive, heute denke ich, schön und gut, aber ich muss erst mal gucken, dass jetzt die Datsche sommerfertig wird.

Und werden Sie eine kleine Dankesrede fürs Handtäschchen vorbereiten?

Tonke: Unbedingt. Es wird wohl einen ganzen Block geben. Ich muss mir da was ausdenken. Das kann ich nicht spontan. Ich bin ja sehr gefährdet, dass ich vor Rührung weine. Das ist mir passiert, als ich bei der Goldenen Kamera den Nachwuchspreis gewonnen habe. Das soll mir nicht mehr passieren.

Im Zweifel dürfte Ihnen die Kategorie Hauptdarstellerin wichtiger sein? Oder ist das egal – Hauptsache, nominiert?

Tonke: Mit der Nominierung für „Mängelexemplar“ habe ich überhaupt nicht gerechnet. Gerade deshalb bedeutet mir die Nominierung sehr viel. Mit „Hedi“ habe ich mich natürlich viel länger beschäftigt; „Hedi“ habe ich von Anfang an als Chance begriffen, wieder mehr wahrgenommen zu werden.

In „Hedi Schneider steckt fest“ spielen Sie eine depressive Frau. Gab es Momente, wo Sie auch schon mal feststeckten?

Tonke: Aber ja. Oft. Am schlimmsten wahrscheinlich, nachdem ich das letzte Mal für eine Lola nominiert war. Da ging es gar nicht mehr weiter. Es gibt ja dieses Phänomen, dass man nach Preisen keine Rollen mehr angeboten bekommt. Weil die Leute glauben, man sei sich plötzlich zu fein. Wo ich denke: Moment mal, ich weiß nicht, wovon ich meine Miete bezahlen soll. Klar mache ich das! Die Außenwirkung stimmt nicht immer so mit der inneren Verfassung überein, schon gar nicht mit dem Kontostand. Ich war damals nur nominiert, ich hab’ ja nix gewonnen. Und trotzdem gab’s keine Angebote. Da steckte ich wirklich fest.

Dann freuen Sie sich vielleicht gar nicht über die erneute Nominierung? Weil das dann wieder passieren könnte?

Tonke : Nee, nee. Davor habe ich keine Angst mehr. Heute gehe ich anders ran. Rückblickend war das vielleicht auch gar nicht schlecht. Ich habe dann eine Weile nicht mehr gedreht und stattdessen Theater gespielt. Ich habe ja keine Schauspielschule gehabt, aber ich bin dann in die Gruppe Gob Squad hineingekommen, die mich eines Tages fragten, ob ich nicht für eine schwangere Kollegin einspringen könnte.

Die machen Improvisationstheater.

Tonke : Genau. Diese Performance-Art ist was ganz anderes als Schauspiel, das muss man können. Hat auch eine Weile gedauert, bis ich das verinnerlicht habe. Aber das war dann die tollste Art, gegen solche Löcher anzukämpfen. Weil es aktive Arbeit ist. Als Schauspieler bist du ja manchmal nur Befehlsempfänger, und manchmal sagt dir der Regisseur dann auch noch, dass er sich im Nachhinein alles so zurechtschneidet, wie es ihm passt. Das sind so Sätze, die einen manchmal erstarren lassen. Aber bei Gob Squad läuft das ganz anders. Da spiele ich mich frei.

Bei „Hedi“ geht es um Angstschübe und Panikattacken. Kennen Sie das auch?

Tonke : Im Umfeld ja. Bei mir ist es weniger Angst oder Panik, aber dafür ganz stark Selbstzweifel. Dieser Beruf bringt dich ganz oft an deine Grenzen. Du bist immer zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein. Immer soll man ganz bei sich bleiben und doch immer auch jemand ganz anderes sein. Das ist ein riesiger Spagat. Das war für mich eine Zeit lang ziemlich schwer. Das kann dann schon mal ausarten.

Inwiefern?

Tonke : Dass einen das krank macht. Man bietet ja immer an, was man hat. Aber du hast keinen Einfluss auf die Entscheidung. Da kamen dann ganz viele Absagen, die ja auch immer unbegründet sind. Das nagt an dir, da denkst du irgendwann, du bist prinzipiell ganz falsch für den Beruf. Das habe ich aber heute nicht mehr. Das hat auch viel mit meiner Familie und meinem Kind zu tun. Das hat sich alles relativiert, und das ist ja auch sehr gesund.

In „Mängelexemplar“ spielen Sie das genaue Gegenteil von „Hedi“. Das freut Sie vermutlich am meisten, dass Sie mit dieser Doppelnominierung eine ganze Spannbreite zeigen können?

Tonke : Ja, das hat mich auch total gerührt. Ich bin ja auch für den Deutschen Schauspielpreis nominiert, für „Worst Case Scenario“. Das sind drei völlig unterschiedliche Filme. Und in allen dreien hat man offensichtlich etwas in mir gesehen. Vielleicht hilft das ja auch, in Zukunft öfter mal was absagen zu können. Ich habe ja ganz oft das Opfer spielen müssen, darauf bin ich ein bisschen abonniert. „Mängelexemplar“ war mal das glatte Gegenteil. Da geht man dann nach einem Drehtag doch etwas besser gelaunt nach Hause.

Der „Deutsche Filmpreis“ findet am 27. Mai statt und wird ab 22.15 Uhr in der ARD übertragen. „Mängelexemplar“ läuft derzeit in den Hamburger Kinos.