Hamburg. Die Pläne der Fans des FC St. Pauli nehmen Gestalt an. Noch fehlen 250.000 Euro für die erste Bauphase

Deutsche Meisterschaften? Null. DFB-Pokalsiege? Null. Internationale Pflichtspiele? Null. Von all dem, was sich ganz klassisch bejubeln und ausstellen lässt, hat der FC St. Pauli wenig bis nichts zu bieten. Lässt sich mit der Geschichte des Vereins trotzdem ein Museum füllen? Ja, sagen Michael Pahl, Sönke Goldbeck, Roger Hasenbein, Christoph Nagel und Tjark Woydt, allesamt tief verwurzelt in der Fanszene und im Vorstand des 2012 gegründeten Vereins FC St. Pauli v. 1910 e. V.

Ja, weil der FC St. Pauli eben tatsächlich der etwas andere Verein ist. „Wir haben keine Meisterschale. Sondern etwas viel Besseres“ schreiben die Macher in ihrem Info-Flyer: „Wir haben Wunder und Pleiten, Aufstiege und Abstiege, Gänsehaut und Freudentränen.“

Eines dieser Wunder und damit typisch für den FC St. Pauli ist die Tatsache, dass es zu diesem Museum überhaupt kommen kann, sollte auf der dafür vorgesehene Fläche unterhalb der Gegengerade des Millerntor-Stadions doch eigentlich eine Polizeiwache inklusive Arrestzellen installiert werden. Massive Fanproteste und viele Gespräche später ist dieses Thema ad acta gelegt: Die Wache entsteht außerhalb des Stadions, auf den dadurch frei gewordenen 730 Quadratmetern ist deshalb Platz für das FC St. Pauli Museum.

Das soll (und muss) mehr bieten als die üblichen Erfolgsgeschichten. Es soll „den Fußball der kleinen Triumphe, des immer wieder Aufstehens“ dokumentieren. Nicht nur eine „Hall of Fame“ soll es geben, sondern auch eine „Hall of Pain“, in der all die schmerzlichen Niederlagen, die Abstiege, der drohende Lizenzentzug im Jahre 2003 Thema sind. „Ohne Geschichte ist selbst der Champions-League-Pokal nur eine große Vase“, sagt Sönke Goldbeck, aber Geschichten hat dieser Verein viele zu erzählen. Von der Wunder-Elf der späten 40er-Jahre, die es bis ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft schaffte, über das erste selbstverwaltete Fanprojekt Deutschlands bis zur legendären DFB-Pokal-Erfolgsserie 2005/2006, die erst vom FC Bayern gestoppt wurde. Dazu kommen zahlreiche Ab- und Aufstiege, Fanaktionen gegen Rechts, das Jubiläumsfestival zum 100. Vereinsgeburtstag. Und die Tatsache, dass der FC St. Pauli unlängst bei einem Heimspiel mit dem Trikotschriftzug „Kein Fußball den Faschisten“ auflief.

500.000 Euro hat der Museumsverein bereits zusammengebracht, weitere 250.000 Euro werden benötigt, um die erste Phase des Ausbaus – bezugsfertiger Zustand der Fläche – abzuschließen. Mit zusätzlichen 500.000 Euro soll unter anderem eine Dauerausstellung konzipiert und aufgebaut werden. Das Ziel: eine spürbare Belebung des Millerntor-Stadions und damit des Heiligengeistfeldes außerhalb der Spieltage. Nicht nur St. Pauli-Fans will man anziehen, sondern auch gewöhnliche Hamburg-Touristen, die abends vielleicht in den „König der Löwen“ gehen. Mit 25.000 bis 30.000 Besuchern jährlich trage sich das Projekt, sagt Goldbeck, 60.000 Besucher pro Jahr werden langfristig angestrebt.

Was die zu sehen bekommen, ist noch nicht bis ins Detail ausgemacht, gewiss aber Klassiker wie Trikots legendärer Spieler („Auch die Derbysieger-Schuhe von Benedikt Pliquett haben wir schon!“), Multimediaprojekte und Dokumente spektakulärer Aktionen, etwa vom erfolgreichen Protest gegen den einst geplanten Sport Dome. 12.000 Fotos hat der Museumsverein bereits aufgekauft, ein guter Teil wandert ins Archiv, das später etwa für wissenschaftliches Arbeiten zugänglich ist. Hier dürften sich auch all die Stadionzeitungen und Fanzines der vergangenen Jahrzehnte finden.

Entstehen soll ein Mosaik, das auch den Stadtteil einbezieht und erklärt, warum der FC St. Pauli ohne nennenswerte sportliche Erfolge einer der bekanntesten und beliebtesten Fußballvereine Europas ist. Warum er nach wie vor als Gegenmodell zum totalen Kommerz gilt, warum Fans von Celtic Glasgow immer wieder für „echten“ Fußball ans Millerntor kommen.

Für die Zeit nach der Sommerpause ist eine große Crowfunding-Aktion geplant, die das fehlende Geld einspielen soll. Auch hier ist man noch in der Brainstorming-Phase; vom Trainingslager-Besuch über signierte Fanartikel bis zum Original-Wellenbrecher aus der alten Nordkurve ist vieles im Gespräch. „Scheitern als Attraktion“ sei ein Erfolgsgeheimnis des FC St. Pauli, sagt Sönke Goldbeck. Beim geplanten Museum scheint Scheitern indes keine Option zu sein.