Hamburg.

Umweltschutz, die Liebe und die Freiheit: Das sind die großen Themen von HA Schult. Bekannt wurde der 1939 in Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) geborene Aktionskünstler besonders für seine aus Müll gefertigten Figuren (Trash People), mit denen er über verschiedene Kontinente zog, um auf die Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen. Derzeit ist der 76-Jährige für die vielleicht längste Kunst-Aktion der Welt unterwegs – wieder im Dienste der Umwelt. Mit einem Hybrid-Auto fährt er rund 18.000 Kilometer von Paris bis nach Peking, um die knappen Ressourcen von Luft und Wasser zu thematisieren. „Ich wollte die Kunst immer von der Wand ins echte Leben holen, damit Menschen aller sozialen Schichten daran teilhaben können“, so der in Köln lebende Künstler.

Hamburg spielte in seinem Werdegang bisher keine große Rolle, doch das soll sich jetzt ändern – mit einem einzigartigen Projekt zum Thema Freiheit, bei dem alle mitmachen können und sollen: eine 20 Meter lange und sechs Meter hohe Wand, an der Briefe, Gedanken, Notizen und Zeichnungen der Hamburger zu dem Thema angebracht werden. Entstehen soll die Freiheitswand an einem für viele bisher vielleicht eher unbeachteten Ort: An der Rückseite des Abendblatt-Gebäudes am Großen Burstah 18 bis 32. Dort, wo die U 3 kurz hinter dem Rathaus oberirdisch weiterfährt. Aus der Bahn heraus wird man bald auf die Rückseite der Installation schauen können. Dort soll dann in großen Lettern das Wort Freiheit stehen und so auf die Aktion aufmerksam machen. Das Briefemeer entsteht auf der dem Gebäude zugewandten Seite.

„Je mehr Menschen mitmachen, desto spektakulärer wird der Anblick werden“, so HA Schult. „Ich bin schon sehr gespannt auf die Post der Hamburger.“ Im Interview erklärt der Aktionskünstler, was es mit den Briefen an die Freiheit auf sich hat.

Hamburger Abendblatt: Was bedeutet der Begriff Freiheit für Sie?

HA Schult: Freiheit ist für mich das Maß dessen, was uns die Gesellschaft ermöglicht. Das betrifft das Handeln, Denken und Fühlen. In Deutschland ist da der Radius, denke ich, sehr groß – gerade im Vergleich zu den Nachkriegsjahren, in denen ich aufgewachsen bin. Diese Freiheit ist besonders für uns Künstler, aber auch für Journalisten und alle Bürger ein großes Glück.

Sehen Sie den Freiheitsbegriff auch im Kontext zur aktuellen Flüchtlingskrise?

HA Schult: Absolut. Ich denke, dass sich der Blickwinkel in den vergangenen Monaten geändert hat, in denen viele Menschen nach Deutschland gekommen sind, die vorher in Unfreiheit gelebt haben. Ich glaube, dass das viele aufgerüttelt hat. Jetzt geht es aus meiner Sicht um den Kern der Freiheit und darum zu erkennen, dass Freiheit ein Gut ist, das für alle da ist und das keinesfalls endlich ist.

Welche Botschaft möchten Sie mit den Freiheitsbriefen vermitteln?

HA Schult: Ich möchte vor allen Dingen in Dialog mit den Menschen treten. Es soll ja ein Kunstwerk von allen für alle werden. Der Hochschulprofessor soll genau so teilnehmen können wie der Müllmann. Da geht es weniger um meine persönliche Meinung oder Botschaft. Aber wenn Sie mich so konkret fragen, würde ich sagen, dass wir mit unserer Freiheit pfleglich umgehen und stolz auf diesen hart erkämpften Wert sein sollten.

Haben Sie schon mal ein ähnliches Projekt gemacht?

HA Schult: Ja, vergleichbar war etwa der Friedenswald, den wir in Essen auf der Zeche Zollverein umgesetzt haben. Die größten Parallelen gibt es aber zu den Loveletters 2001 in Berlin. Das Prinzip war ähnlich. Da hatten wir die Menschen aufgerufen, ihre Gedanken zum Thema Liebe aufzuschreiben. Das Ergebnis war unfassbar. Mehr als 100.000 Briefe sind eingegangen. Liebesbriefe an die Eltern oder den Partner, Briefe an Kinder, die noch nicht geboren sind, oder an verstorbene Großeltern. Da war alles dabei. Einen Großteil davon haben wir dann an der Fassade des alten Postfuhramts in Berlin angebracht. Und es kamen Besucher aus der ganzen Welt. Dabei kam es zu ergreifenden Szenen.

Zum Beispiel?

HA Schult: Eine junge Frau hatte einen Brief für ihre schwer kranke Mutter geschrieben. Darin hatte sie ihre Liebe in Worte gefasst, die sie im Gespräch nie gefunden hatte. Ihre Mutter überraschte sie dann bei einem gemeinsamen Besuch in Berlin mit ihrem Liebesbrief. Aus allen Einsendungen haben wir dann übrigens auch ein Buch gemacht – das planen wir auch im Anschluss an die Hamburger Freiheitsaktion.

Welche Beziehung haben Sie zu Hamburg?

HA Schult: Ich war schon einige Male zu Besuch in Hamburg, und es hat mir immer sehr gut gefallen. Nun freue ich mich sehr, dass wir das Projekt hier in der Hansestadt umsetzen können. Ich bin überzeugt davon, dass Hamburg fantastisch zu dem Thema Freiheit passt. Einfach, weil es eine sehr offene Stadt ist, die durch den Hafen schon immer ein Schmelztiegel für Menschen aus der ganzen Welt war. Ich glaube, dass das Thema viele Hamburger ansprechen wird.

Werden Sie selber auch einen Brief schreiben? Und wenn ja: Was wird drinstehen?

HA Schult: Das ist eine gute Frage. Aber darüber möchte ich mir erst noch Gedanken machen. Das ist ein Thema, für das man sich vielleicht einen Moment Zeit nehmen sollte.